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Klimabilanz der taz

01.12.2006 | Freitag | tazzwei | Ökosex

Stopft dem Yello-Frosch das Maul

Harald Schmidt schert sich einen Dreck um Klimaschutz. Sehr gut. Damit ist er eine glaubhafte Werbefigur für uns

 

Zum philosophischen Hintergrund: Was haben wir von der Pieke auf gelernt? Natürlich konsumieren! Und was wird gekauft? Alles, wofür man von der Industrie abgerichtet wurde. Warum soll also, was für flache Fernseher und Mittelklasseautos gilt, nicht für Klimaschutzprodukte gelten?

Der Plan: Die Bundesregierung legt dazu ein innovatives Programm auf. Wichtigster Punkt: 100 Millionen Euro werden aus der Kohlesubvention umgewidmet. Damit werden 10 Promis eingekauft - aber erste Sahne. Jeder der Promis kriegt 9,5 Millionen Euro bar auf die Hand. Dafür steht er fünf Jahre als solarer Effizienzrevolutionär zur Verfügung. Tag und Nacht. Der erste auf der Liste ist der Fernsehunterhalter Harald Schmidt. Er hat erst letzte Woche in der Zeit betont, dass ihm der Klimaschutz am Arsch vorbeigeht. Macht nix. Wichtiger ist, dass ihm Geld nicht am Arsch vorbeigeht. Ein 9,5-Millionen-Angebot wird er niemals ablehnen. Das ist optimal, denn wer steht weniger im Verdacht, so etwas aus Gutmenschentum zu tun als Schmidt? Der Mainstream soll ruhig wissen, dass sich der Klimaschutz die Teuersten kaufen kann. Also Schumi, Thomas Gottschalk, Heidi Klum, Beckenbauer, Boris Becker, Ulrich Wickert, Michael Ballack, Giovanni di Lorenzo, Kai Diekmann und den Papst. Das Ganze ist also sehr ausgewogen.

Bereich Wohnen: Für eine 500.000 Euro zweckgebundene Sonderprämie wird erst mal das Promileben luxuriös emissionslos umgebaut mit einer spektakulären Hausmodernisierung zum solaren Plusenergiehaus. Die Sanierung mit 10 Kilowattpeak-Spitzenleistung Photovoltaik auf dem Dach und Miniblockheizkraftwerk (Pflanzenöl oder Pellets) wird liebevoll als TV-Serie "Ihr Star baut um" in Szene gesetzt. Einen Teil der Prämie investieren die Promis öffentlichkeitswirksam in Biogas, Geothermie und Windenergie.

Bereich Fahrspaß: In der Klimaschutz-Promigarage stehen ein pflanzenölbetriebenes Drei-Liter-Auto (pflanzenoeltechnik.de) für Langstrecken und ein solarer Venturi Astrolab (venturi.fr) fürs Auge. Daneben garantieren Cityel (cityel.de) und Twike (twike.de) Freude am Kurzstreckenfahren.

Bereich Humor: Der Promi verpflichtet sich bei jeder Gelegenheit, Witze zu reißen über uncoole Produkte. Im Vertrag von Thomas Gottschalk steht: Spotten über den neuen Audi R8, beispielsweise den mit 420 PS. Lächeln über Inlandsflüge. Über Braunkohlestromkonzerne. Über überdimensionierte stromziehende flache Fernseher. Über Mineralölkonzerne mit lustigen Namen wie Beyond Petrol (BP).

Bereich Urlaub: Emissionslosigkeit bedeutet für unsere Promis "fun, fun, fun". Flüge zu der ebenfalls emissionsfreien Villa auf Mallorca werden natürlich über www.atmosfair.de werbewirksam kompensiert.

Bereich Coolness: Inbesondere verpflichtet sich der Promi zu einem coolen Grinsen: fünf Jahre lang. Immer wenn er zur Gala mit dem solarbetriebenen Astrolab vorfährt, immer wenn er eine Homestory vor seiner Ökovilla macht, immer wenn er bei Beckmann begeistert von der Emissionslosigkeit erzählt.

Apropos Fernsehen: Dort tauchen die Klimapromis regelmäßig auf. Täglich beispielsweise nach den seriösen Tagesthemen. Mit weiteren 100 Millionen Euro aus der Kohlesubvention wird nämlich der Kohle- und Atompatenschaft der ARD-Nachrichtensendung ein Ende bereitet. Zunächst wird der unerträgliche Yellofrosch live im TV abgemurkst. Die 10 Klimapromis werden dann künftig jeweils vor dem Wetter als Ersatzfrosch erscheinen. Sie stehen im Froschkostüm vor Ihrem Solardach und grinsen. Oder sie grinsen im offenen Solarsportwagen in heiler Natur und winken emissionslos.


ÖKOSEX, die CD. Inkl. "Tschüss, liebes Eon" und "Servus, EnBW". Kostenlos runterladen auf www.taz.de. Ressort: taz zwei

Links zur Kolumne:

pflanzenoeltechnik.de


venturi.fr


cityel.de


twike.de


www.atmosfair.de


oekotainment.eu/musik/



01.12.2006 | Freitag | taz Nr. 8140 | Seite 14 | 134 Zeilen | tazzwei | KOLUMNE ÖKOSEX VON MARTIN UNFRIED | Stopft dem Yello-Frosch das Maul | Harald Schmidt schert sich einen Dreck um Klimaschutz. Sehr gut. Damit ist er eine glaubhafte Werbefigur für uns