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Klimabilanz der taz

14.03.2017 | Dienstag | zeozwei 2/2017 | Essay von Bernhard Pötter

Das Denken des Wilden Westens

US-Präsident Donald Trump verachtet alle Regeln. Vor allem die, die globales Zusammenleben organisieren. Sein Hauptfeind sind die Armen der Welt.

 

Die Sache mit Philip Cooney war ein Riesenskandal. Der Chef des Umweltrats im Weißen Haus unter George W. Bush trimmte in den Jahren 2002 und 2003 die Regierungspositionen zum Klimawandel auf Kurs der Klimaleugner – in engem Kontakt mit dem Ölgiganten Exxon. Als das aufflog, flog Cooney raus – und wurde von Exxon angeheuert.

Heute sitzt wieder ein Exxon-Mann im Weißen Haus. Rex Tillerson, Exchef des Ölgiganten, ist Außenminister der USA. Und in der Regierungsmannschaft der Milliardäre unter Donald Trump eine Stimme der Vernunft. Denn wenigstens bestreitet er nicht, dass sich die Erde erwärmt.

Nach acht Jahren Obama-Klimapolitik, von denen eigentlich nur die letzten vier Jahre erfolgreich waren, hat sich mit dem Präsidenten Donald Trump alles verändert. Trump macht Schluss mit Transparenz, Schluss mit Kooperation, Schluss mit einer Politik, die sich an Fakten und Wissenschaft orientiert. Die Regierung exekutiert in atemberaubendem Tempo die Zerstörung des Washingtoner Systems aus Eliten und Spezialisten, die Einschüchterung des liberalen und weltoffenen Amerikas. Wer Kritik übt, Fragen stellt oder Alternativen aufzeigt, für den gilt Trumps Urteil: »You’re fired!«

Trump und seine Leute haben eine Mission: Das Ende der Regeln, auf die sich Progressive und Konservative in den letzten Jahrhunderten geeinigt haben. Trump hetzt gegen Ausländer, bezeichnet Muslime generell als gefährlich und zeigt offen seine Verachtung für Frauen. Internationale Bündnisse wie NATO und UNO sind für ihn überflüssig, er will jede Art von »Überregulierung« streichen, egal ob im Umwelt- oder Arbeitsschutz.

Aber er verachtet auch konservative Werte: Freihandel ist ihm ein Graus. Er zeigt keinen Anstand, wenn er Behinderte beleidigt; er verachtet die Wahrheit, wenn er und seine Mannschaft offen lügen; er beschädigt die politischen Institutionen, wenn er per Dekret regiert. Er will nicht akzeptieren, dass ihn »sogenannte Richter« in die Schranken weisen oder »Fake News«-Journalisten kritische Fragen stellen.

Trump und seine rechten Revoluzzer sind dabei, den letzten Kitt zu zerstören, der die tief gespaltene Gesellschaft in den USA noch zusammenhält. Sie wollen nur die Regeln akzeptieren, die sie selbst machen. Sie setzen auf das Recht des Stärkeren und nicht mehr auf die Stärke des Rechts.

Das ist das Denken aus dem Wilden Westen, der Mythos, dass die USA mit »guts and guns« geschmiedet wurden. Das war aber nicht nur die Zeit, als sich der weiße Siedler mit der Waffe in der Hand verteidigen musste. Es war vor allem die Zeit der scheinbar unerschöpflichen natürlichen Ressourcen, die durch die Fortschritte in der Industrialisierung plötzlich ausgebeutet werden konnten: Das »freie« Land im Westen, die Kohle, die riesigen Bisonherden und Fischschwärme, die unendlichen Wälder.

Diese Zeit ist seit etwa fünfzig Jahren vorbei: Rohstoffe wie Ackerboden, Trinkwasser, Fisch oder die Fähigkeit der Ozeane und der Atmosphäre als Müllkippe werden in den USA und zunehmend auf der ganzen Welt über Gebühr beansprucht. Die Natur stößt an die »Grenzen des Wachstums«. Damit wurde aus dem einfachen Modell »Wir nehmen uns, was wir brauchen« das komplexe System »Wir müssen mit den Nachbarn aushandeln, was wir von ihnen bekommen können« – ein System, das zu der heutigen gegenseitigen Abhängigkeit in Handels- und Umweltfragen geführt hat.

Dummerweise hinkt die Ideologie der Realität weit hinterher. Trump versucht sich in den Kategorien der Dampfmaschine an der Zukunft im digitalen 21. Jahrhundert. Sein Schlachtruf »America First« ist – ebenso wie ähnliche Ideen der anderen Nationalisten von AfD bis Front National – Realitätsverweigerung in einer komplexen Welt. Kein Land, nicht einmal ein Binnenmarkt wie die EU mit fünfhundert Millionen Menschen, kommt ohne Rohstoffe, Kapital, Ideen und Menschen von außen aus – oder es müsste einen radikal anderen Lebensstil der Genügsamkeit predigen. Wer aber die gegenseitigen globalen Abhängigkeiten anerkennt, muss dafür Regeln schaffen. Die werden selbstverständlich von den Stärkeren dominiert – aber die USA sind eben nicht mehr die unumstrittene Supermacht.

Trump ist überzeugt, dass diese Regeln gemacht seien, um den USA zu schaden. Das ist eine Wahnvorstellung. In der Realität haben amerikanische Interessen seit der Mitte des 20. Jahrhunderts die globalen Handels-, Finanz- und Militärbündnisse dominiert, auch die internationale Politik und die Umweltagenda. Die »unfaire« wirtschaftliche Globalisierung hat vor allem und zuerst den Interessen von US-Konzernen gedient. Diese Entwicklung so zu kanalisieren, dass davon nicht nur die Aktienkurse, sondern auch die Menschen profitieren, dass die Ressourcen gerechter verteilt werden, das ist das mühselige Geschäft von weltweiten Gesprächen zu Handel, Entspannung, Entwicklung oder Klima. Wenn hier der »größte Dealmacher aller Zeiten« ein paar festgefahrene Debatten neu beleben könnte – wunderbar! Allerdings wird »The Donald« wohl bald merken, dass er mit Chinesen, Russen oder Indern nicht so einfach Schlitten fahren kann wie gedacht.

Die Trump-Regierung gaukelt sich vor, ihre Ressourcen seien unbegrenzt, wenn nur »America great again« würde. Wenn Tatsachen stören, werden schamlos »alternative Fakten« präsentiert. Klimawissenschaftler, zumal in den USA, kennen dieses Szenario nur zu gut. Genau nach diesem Rezept handeln seit zwanzig Jahren die Klimaleugner, die sich »Skeptiker« nennen: Fakten bestreiten, Unsicherheiten übertreiben, Forscher persönlich attackieren, »alternative« Experten und Institute finanzieren.

Gleichzeitig wächst der Widerstand. Umweltbewegung und Wissenschaftler machen mobil. Am 22. April, dem Tag der Umwelt, wollen Tausende von Forschern demonstrieren – in einem Land, das stolz ist auf Eliteuniversitäten und Nobelpreisträger. Eine breite Front aus liberalen Bundesstaaten, Bürgerrechtlern, Minderheiten, Umweltschützern und Feministinnen will sich Trumps Amerika entgegenstellen. Sie planen eine Gegenbewegung wie einst die konservative Tea Party. Entschieden werden viele der umkämpften Fragen vor den Gerichten, wie etwa Obamas Clean Power Plan, der Kohlekraftwerke reguliert. Weil auch hier andere Regeln gelten, als Trump sie wünscht.

Schon der Markt wird dafür sorgen, dass sich die Energiewende in den USA nicht mehr zurückdrehen lässt: Kohle wird vom billigen Gas verdrängt; billiger Strom aus Wind befeuert die Wirtschaft im Ölstaat Texas, billiger Sonnenstrom die in Kalifornien. In vielen Staaten kämpfen die Strommonopolisten gegen ihre Kunden, die sich mit »rooftop solar« unabhängig machen wollen. Auch weltweit gibt es durchaus Hoffnung: China senkt stetig seinen Kohleverbrauch, Indien könnte bis 2050 aus dem dreckigen Brennstoff aussteigen, zeigen neue Studien. Und Saudi-Arabien, lange der Todesstern der Klimapolitik, versucht eine Revolution weg vom Öl.

»INVESTITIONEN INS GEMEINSAME ÜBERLEBEN PASSEN NICHT ZU TRUMP.«

Wen Trumps Engstirnigkeit allerdings wirklich bedroht, das sind die Armen der Welt. Das sind diejenigen, die kaum Verhandlungsmacht haben – und die oft sehr konkret und direkt auf die natürlichen Ressourcen angewiesen sind, beim Ackerbau oder Fischfang. Hilfe für sie, Förderung der nachhaltigen Entwicklungsziele der UN (Sustainable Development Goals) sind kaum möglich, wenn die USA aussteigen. Falls Trump Schluss macht mit den paar lumpigen US-Milliarden für Klimapolitik und Green Climate Fund, bricht er ein Versprechen, das die reichen den armen Ländern bereits 2007 gegeben haben – ihnen bei ihrer Energiewende und beim Weg aus der Armut mit jährlich einhundert Milliarden Dollar zu helfen.

Sichere Ernährung, Gesundheit, Bildung, Zugang zu Wasser haben für Trump keine Priorität. Sie sind aber für zwei Milliarden Menschen überlebenswichtig. Wenn dieser fragile Konsens aus dem Klimaabkommen von Paris nicht an Trumps engstirnigem Geiz zerbrechen soll, müssen eventuell die anderen Industrieländer dickere Schecks ausstellen. Das ist eine »Art of the Deal«, die nicht in Trumps Weltbild passt: Investitionen ins gemeinsame Überleben...

Bernhard Pötter

Jahrgang 1965. Er arbeitet zu den Themen Klima, Energie, Witschaft und Umweltpolitik, Kirche, Kindern und Konsum. taz-Redakteur er seit 1993, zwischenzeitlich freier Autor unter anderem für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist.

Bücher: zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

14.03.2017 | Dienstag | zeozwei 2/2017 | www.zeozwei.de | Das Umweltmagazin: Magazin für Klima. Kultur. Köpfe. | Titelthema: KIRCHE GEGEN SCHÖPFUNG - WAS TUN CHRISTEN WIRKLICH GEGEN KLIMAWANDEL? | Essay von Bernhard Pötter | Das Denken des Wilden Westens | US-Präsident Donald Trump verachtet alle Regeln. Vor allem die, die globales Zusammenleben organisieren. Sein Hauptfeind sind die Armen der Welt. | Bio: de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_P%C3%B6tter



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