Menü

Link zur taz

Diese Seite wird erstellt mit freundlicher Genehmigung der tageszeitung
( www.taz.de)

die tageszeitung wird getragen durch die taz Genossenschaft

Die taz Panter Stiftung engagiert sich für Meinungsvielfalt im öffentlichen Raum.

Klimabilanz der taz

Mein Deal: Bei Massenkündigung gibt's Ökosex

WARUM MAN WIEDERSTAND BESSER MIT IE SCHREIBT UND ICH MEINEN KÖRPER AUCH IM DIENSTE DES ATOMAUSSTIEGS VERSCHENKEN WÜRDE

 

Wenn Ökologie und Sex in einem Atomzug genannt werden, muss dass in dieser Kolumne Erwähnung finden. Deshalb auch von meiner Seite eine Überlegung zum Bundespräsidenten-Sex-Verlängerungs-Angebot. Die Bürgerin Charlotte Roche bietet einem Verfassungorgan ihren Körper an im Tausch für die Nichtverlängerung von Atomlaufzeiten. Das ist für mich Politologen sehr lustig, weil so viele schlüpfrige Wörter in einem Satz vorkommen. Verfassungsorgan beispielsweise und Nichtverlängerung.

Kommunikationstechnisch ist das Roche'sche Angebot aber kontraproduktiv. Das hat mit Macht, Ohnmacht und Identität zu tun. Philosophische Themen. Wer sind wir? Wir Atomkraftgegnerinnen? Tapfere, aber ohnmächtige Heldinnen, die den Mächtigen ihre Seele verkaufen müssen, um die Welt zu retten? Ich meine, nein.

Wir sind doch in erster Linie souveräne Bürgerinnen und eigenverantwortliche Stromkundinnen im Spätkapitalismus des 21sten Jahrhunderts. Deshalb stört mich ingesamt das Heldenhafte in diesen Tagen, auch in Sachen Schottern. Ich würde beispielsweise Wiederstand immer mit ie schreiben. Das sieht nicht so tragisch-komisch aus und vermeidet die Anmaßung gegenüber jenen, die im Widerstand waren oder sind. Für alle übrigens, die noch Atomstrom zuhause haben, kommt hier ein nützlicher Reim für jede Demo: "Wer seine Eon-Rechnung wieder fand, der braucht nicht in den Wiederstand. Braucht nur Atomstrom kündigen, braucht nicht mit Christian sündigen."

Ich weiß, das ist albern, aber der moderne Atomkraftgegner kann auch albern sein. Das ist ein Privileg der Post-Wackersdorf-Ära. Die Verhältnisse sind nicht mehr so gemein und wir nicht so klein, wie Widerstandsprosa und Sexangebot suggerieren.

AtomkraftgegnerInnen sind immerhin der gesellschaftliche Mainstream! Wir sind doch keine Bittsteller. Hallo, Campact: Wir müssen doch keine Unterschriftenlisten mehr an die Kanzlerin schicken! Wie sieht das denn aus? Wir müssen der Sache wegen weder Leben noch Körper geben. Wir wählen demnächst wieder die Parlamente. Und noch wichtiger: wir wählen die Firma, mit der wie eine Geschäftsbeziehung eingehen.

Anders als Charlotte Roche möchte ich hier und heute dem wahren Souverän, also der deutschen Stromkundin, einen Deal anbieten. Einen Deal der Macht, nicht der Ohnmacht. Und zwar biete ich Ökosex im Tausch gegen Massenkündigung. Wenn ich bis zum 24. Dezember von 10 Millionen deutschen Atomkraftgegnerinnen per E-Mail den Beweis empfange, dass sie ihren Atomstromvertrag gekündigt haben, verlose ich hemmungslosen, heißen Ökosex. Dann werde ich aus den 10 Millionen Kündigungen eine Gewinnerin ziehen. Und wenn diese Atomkraftgegnerin wirklich nachweisen kann, dass sie garantiert keine Heldin ist, sondern nur getan hat, was zu tun ist, komme ich heim zu ihr.

Mit einem Lächeln. Mit meiner Gitarre und spiele meinen Song für sie: "Weihnachten ohne Atom" (auch unter oekosex.eu). Und das wäre auch gar nicht heldenhaft von mir. Einfach nur tun, was zu tun ist.

23.11.2010 | Dienstag | taz Nr. 9351 | Seite 14 | 107 Zeilen | tazzwei | KOLUMNE ÖKOSEX VON MARTIN UNFRIED

 

www.taz.de/1/archiv/archiv/