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11.09.2011 | Sonntag | Ökosex

Neues von der Ausredengesellschaft

„Geht nicht“ gibt’s nicht: Warum wir auf flaue Ausreden eine gute Antwort haben sollten

 

Mein großes Thema ist ja bekanntlich die heitere Ausredengesellschaft, die an ihre eigenen Ausreden glaubt. Wenn es darum geht, das Offensichtliche nicht zu tun und/oder das ökologischere Produkt nicht zu kaufen, fällt unserer Gesellschaft nämlich so einiges ein. Entweder sind wir technisch noch nicht so weit (Elektroauto), oder es ist alles viel zu teuer (Elektroauto) oder der Verzicht auf das vertraute, viel bessere Produkt ist unzumutbar und reine Schikane (Glühbirne).

Gehen wir das mal der Reihe nach durch: Die technische Ausrede, wie in Sachen Elektroauto, möchte natürlich nur davon ablenken, dass die Deutschen nicht längst massiv vom 8 Liter auf das 3 Liter Auto umgestiegen sind. Dafür gibt es nämlich keinen technischen Grund. Natürlich schon gar keinen finanziellen, weil ja die volkswirtschaftliche Tankrechnung weniger als die Hälfte betragen würde. Womit wir bei der Frage sind, was wir uns in der Ausredengesellschaft alles leisten. Die Ausrede „Können wir uns nicht leisten!“ sagt oft nur, dass jemand sein Geld statt in eine bessere und umweltverträglichere Landwirtschaft lieber in die zahlreichen Handyrechnungen der Familie investieren möchte. Das ist an sich okay, sollte aber auch als persönliche Priorität benannt werden. Aus eigener heiterer Erfahrung: Viele Bekannte haben mir in Sachen Biotomaten oft den hohen Preis an den Kopf geworfen. Dabei in der Kneipe allerdings noch locker ein drittes Bier bestellt, obwohl so ein Bier natürlich zuhause um einiges günstiger wäre. Komme mir also niemand, der ein einigermaßen geregeltes Einkommen hat, mit dem Preisquatsch.

In einem Zeit-Online Interviewhttp://www.zeit.de/2011/37/DOS-Auto-Fuegener-Interview beschreibt der Design Professor Lutz Fügener sehr schön, wie die Ausredengesellschaft in Sachen Autos tickt. Er erinnert daran, dass die Deutschen im Schnitt 25.000 Euro für einen Neuwagen ausgeben, obwohl es ein Gebrauchter für 5.000 auch täte. Den Unterschied von 20.000 Euro, den blättere die Gesellschaft für sogenannte „weiche“ Kriterien hin, den Großteil nämlich für emotionale Werte.

Und wie wichtig emotionale Werte sind, das sehen wir in den letzten Tagen wieder in Sachen Glühbirnenverbot. Vor Jahren hatte man Sprühdosen mit Treibgas aus dem Verkehr gezogen. Das war okay. In Deutschland wurden auch alte Heizungen mit schlechten Werten gesetzlich zum Auslaufmodell. Kein Grund zur Aufregung. Man sollte meinen, der Ausstieg aus der Produktion ineffizienter Glühbirnen sei gesellschaftlich ebenso Peanuts. Aber nein, die Feuilletons drucken seitenlange Tiraden. Journalisten, die vorher noch nie über Umwelt und Energiethemen geschrieben haben, fühlen sich berufen, die ästhetische und ökologische Unsinnigkeit zu beklagen (Quecksilber, hässliches Licht, Strahlen). Dahinter steckt meistens natürlich kein ausgebreitetes Wissen über Ökobilanzen, sondern nackte Gefühle: „Ja, natürlich bin ich auch für Klimaschutz, aber nicht wenn die mir meine schöne Glühlampe verbieten.“ Auch das ist Kulturkampf pur, allerdings gegen echte Politik, die tatsächlich Dinge unseres Lebens verändert. Wie sähe das erst aus, wenn die Politik aus Klimaschutzgründen wirklich mal in unser Leben eingreifen würde?

Interessant ist nun, dass die Glühbirnenfreunde nicht die üblichen Klimaschutzkritiker sind mit den alten ökonomischen und technischen Ausreden. Nein, das sind Leute, die sich auf eine ganz neue Ausrede konzentrieren: sie wollen nicht in einer Gesellschaft leben, in der die „Biospießer“ einem alles vorschreiben. Dieser Begriff war in meiner Lieblingszeitung „taz“ zu lesen. Da haben anscheinend einige Autoren die Seite gewechselt. Die sind im Kulturkampf plötzlich auf der Seite der Glühbirne. Jetzt wo der Mainstream mehr in Richtung Öko geht, wollen sich im Alternativbereich anscheinend einige schon wieder absetzen. Wissen Sie eigentlich, wer in Berlin noch mehr verhasst ist als der Biospießer. Das ist der schwäbische Biospießer. Ich glaube, die meinen mich.

MARTIN UNFRIED ÜBER ÖKOSEX

*) Die Grafik wird wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung von: Miro Poferl und Utopia

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