Menü

Link zur taz

Diese Seite wird erstellt mit freundlicher Genehmigung der tageszeitung
( www.taz.de)

die tageszeitung wird getragen durch die taz Genossenschaft

Die taz Panter Stiftung engagiert sich für Meinungsvielfalt im öffentlichen Raum.

Klimabilanz der taz

Solare Republik Deutschland

DER BUNDESPRÄSIDENT MUSS JETZT DEN POLDI MACHEN: DREI EINFACHE DINGE, UM DAS NEUE NACHHALTIGE DEUTSCHLAND ZU REPRÄSENTIEREN

 

Am Freitag saß ich in Maastricht bei Freunden in Orange und guckte Fußball. Und zwar mit meinem tollen orangefarbenen T-Shirt mit der Aufschrift "100 % Erneuerbare Energie". Das habe ich einfach umgewidmet. Meine kleinkarierten niederländischen Freunde grinsten unverschämt und fanden mich nur zu 15 Prozent überzeugend.

Um einen soziologischen Begriff zu verwenden: Sie trauen mir nicht zu, mich vom "nationalen Habitus" der DFB-Elf-Verehrung frei zu machen. Und das, obwohl ich dreizehn Jahre in Oranjeland lebe. Ich küsse sogar dreimal zur Begrüßung! Als Schwabe! Hilft nix: Sie meinen Auf-der-Autobahn-Rasen, Bratwurstessen und Solaranlagenbauen gehören zu meiner Natur.

Denn die Niederländer denken, dass Solaranlagen zu bauen etwas typisch Deutsches ist. Auf jeden Fall die Caravanbesitzer, die in den letzten Jahren in Süddeutschland waren. Was ist denn mit den süddeutschen Hausbesitzern los, fragen sie. Alles Umweltfreaks? Nein, erkläre ich, die Photovoltaikanlage sei der Mercedes des solaren Deutschland, das Statussymbol schlechthin. Da wundert sich der Oranjefan.

Und mit Blick auf einen nationalen Habitus ist klar, dass die WM die Energiewende in Deutschland noch einmal beschleunigen wird: wegen Poldi! "Ich hab immer Strom", flötet der sympathische junge Mann im Fernsehspot. Sein Nachbar hat ihn eben gebeten, wegen Stromausfall bei ihm Fußball schauen zu dürfen. Wer Solarmodule auf dem Dach hat, hat immer Strom. Das ist der Schlüsselsatz, den Greenpeace nicht besser formulieren könnte. Und Poldi grinst. Nicht wie Fußballer sonst grinsen, für Spritschleudern, für Atomstrom, für Hanuta, für Investmentfonds, fürs Ausbeuten pakistanischer Fußballnäherinnen. Nein, er grinst für Strom vom Dach.

Das impliziert auch ein Grinsen gegen Laufzeitverlängerung. Und 60 Millionen Fußballfans denken sich: "Geil, der Poldi hat immer Strom." Es gibt keinen besseren Werbeträger. Poldi ist egal, dass es gestern im Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag zur Sache ging. Die Einspeisevergütung interessiert ihn nicht. Er ist das Gesicht des neuen solaren Deutschland. Jetzt muss auch der Bundespräsident den Poldi machen. Vattenfall, BP, Mercedes sponsern das Sommerfest? Nein, das muss aufhören. Das passt nun wirklich nicht zur Repräsentation der Solaren Republik Deutschland. Hier das Sofortprogramm für Wulff: Erstens: Strikte Weigerung, in der Dienstlimousine kutschiert zu werden, und Stopp der Inlandsflüge. Er sollte alle Termine im Inland mit Fahrrad, Bus und Bahn zurücklegen. Achtung, Achtung: Der Buprä kommt im Stadtbus 55. Zweitens: Den Garten vom Bellevue verpachtet Wulff an eine Bürgerwindanlage mit 6 Megawatt. Ausländische Staatsgäste dürfen die Gondel besuchen. Und drittens: Wulff nimmt zu jedem Staatsbesuch als Geschenk biologisch angebaute Äpfel und Birnen mit und lässt sich ein Tribal auf den Oberarm stechen mit der Inschrift "Gentech, nein danke". Damit kann er vielleicht auch die Staatsanwaltschaft in Oldenburg überzeugen, die in Sachen Verstoß gegen das Gentechnikgesetz vorermittelt.

06.07.2010

www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/