Menü

Link zur taz

Diese Seite wird erstellt mit freundlicher Genehmigung der tageszeitung
( www.taz.de)

die tageszeitung wird getragen durch die taz Genossenschaft

Die taz Panter Stiftung engagiert sich für Meinungsvielfalt im öffentlichen Raum.

Klimabilanz der taz

Wir Konsumsklaven

NEUE ANGEBERPRODUKTE UND WARUM ICH MIT EINEM KLEINEN ENERGIESPARGERÄT DIE EHE MEINER FREUNDE BELEBT HABE

 

Letzte Woche, nach langer Fahrt, Ankunft bei meinem Freund in Karlsruhe. Liegt da auf dem Tisch das neue I-Pad. "Ach", rufe ich, "nicht nur neuer Sohn, sondern auch neues I-Pad!" Noch bevor wir uns ausführlich über Verdauung und Schlafgewohnheiten des Kleinen ausgetauscht haben, hat er mir schon alle Features vom I-Pad gezeigt. Liegt gut in der Hand, tolles Display schwärmte er.

Ach, junger Vatter, ist das sympathisch! Ich liebe es, wenn Konsumsklaven mir ihre neuesten Teile zeigen und damit angeben. Gerade von der Begeisterung der Apple-Jungs und ihrem Mitteilungsdrang, da können wir solaren Effizienz-Bären noch was lernen. Deshalb heute Werbung für zwei tolle Öko-Gimmicks.

Mein neuestes Gerät heißt lustigerweise Martin. Genau genommen Martin MS 1002 (www.martin-elektrotechnik.de). Bei uns zuhause nennen wir es aber einfach "den Keller-Martin", damit die Kinder es nicht mit mir verwechseln. Der Martin, eine Sparsteuerung für Wasch- und Spülmaschinen, bereitet mir so viel Freude. Er hat stilvolle Tasten und fragt, ob man mit 30, 40 oder 60 Prozent waschen möchte. Dann mischt der Martin das heiße Wasser aus meiner Solaranlage in die Waschmaschine rein.

Das ist nix Neues, aber verglichen mit dem Hype um das I-Pad seit Jahren sträflich vernachlässigt. Der Martin ist cool. Und wer in den letzten Wochen bei 35 Grad im Schatten sein Wasser zum Duschen, Waschen und Spülen mit Gas, Öl oder Atomstrom erwärmt hat, ist völlig uncool. "Liegt gut in der Hand", schwärmte ich, "tolles Display", als ich den ersten Gast, er hieß zufälligerweise auch Martin, in den Keller zum Angeben nötigte.

Dann gingen wir beiden Martins auf eine Party zu Frank. Frank und seiner Frau hatten wir ein tolles Gerät mitgebracht, nämlich den "Wattcher". Das klingt wie ein Krimi von Edgar Wallace (www.wattcher.nl). Und das Teil ist so spannend wie ein Krimi. Es ist weiß, elegant wie ein Apple und liegt gut in der Hand, es ist ein Designobjekt, das den Elektrizitätsverbrauch Ihres Haushalts anzeigt. Wir hatten den Wattcher in der Küche an einer prominenten Stelle platziert und per Funk mit dem Meterkasten verbunden. Kaffeemaschine an und das Teil zeigt: 1.250 Watt. Den Deckenfluter dazu: 1.700 Watt. Jetzt noch die drei Apple Computer: 2.555 Watt. Dabei blinkt die Zahl schneller, je mehr Watt verbraucht wird. "Und, was verbraucht ihr eigentlich so im Jahr an Strom?" Party-Small-Talk, wie ich ihn liebe, war noch nie so einfach.

Und der Wattcher ist sogar gut für die Beziehung. Kam ich einige Tage später zur Stromkontrolle zurück in den Wattcher-Haushalt: kleine Unstimmigkeit zwischen den Eheleuten, wegen der ständig Stand-bye stehenden Rechner, des Druckers und der Außenbeleuchtung. Der Wattcher zeigte gerade 750 Watt, obwohl kein Apparat lief. Frank meinte zur Verteidigung, dass sei doch sowieso alles Ökostrom (Greenchoice.nl). Aus dem anderen Zimmer hörte ich noch sowas wie "Geld zum Fenster rauswerfen". Da wurde es Zeit für mich zu gehen. Auf langjährige Beziehungen kann der Wattcher also wunderbar belebend wirken.

03.08.2010

www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/