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Klimabilanz der taz

18.01.2011 | Dienstag | Ökosex

Che, das Passivhaus und ich

WARUM DER KOMMUNISMUS UND DAS ÖKOPARADIES ÄHNLICH THEORETISCHE PROBLEME HABEN

 

Die Wege ins Ökoparadies, ins Nirvana des ewig Erneuerbaren, können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, in der Opposition oder in der Regierung. Ich habe mal ein Wort aus einem Kommunismus-Zitat von Frau Lötzsch ausgetauscht und werde nun damit die theoretischen Fundamente der solaren Effizienzrevolution überprüfen.

Welche Wege ins Ökoparadies wollen wir denn eigentlich beschreiten? Bei näherer Sparlampenbeleuchtung muss ich zugeben: Der Kommunismus und das solare Effizienzparadies haben ähnliche theoretische Probleme. Zum Beispiel sind da die ausbleibenden absoluten Mehrheiten bei Wahlen in der parlamentarischen Demokratie trotz drohender Klimakatastrophe. Marxistische Theoretiker pflegten in der Vergangenheit zu Recht die demokratische Erfolglosigkeit ihrer Ideen mit dem falschen Bewusstsein der arbeitenden Menschen zu begründen. Die Leute seien unter dem Kapitalismus ja gar nicht in der Lage, ihre Interessen adäquat wahrzunehmen.

Jawoll, möchte man da rufen, das gilt noch mehr für ökologische Interessen. Warum brettern die Leute immer noch lieber mit dem Tuareg als mit dem Linienbus? Ist es nicht das akkumulierte Brumm-Brumm-Marketing, die unseren Mitbürgern das Hirn vernebelt? Kann es überhaupt, um mit Adorno zu sprechen, ein Leben im falschen Auto geben? Was liegt da näher, als ein Herrschaftssystem anzustreben, in dem es möglich ist, auch gegen den Mehrheitswillen alle Privat-Pkws abzufackeln.

Klingt logisch, ist aber das Gegenteil meiner Ökosex'schen Erkenntnistheorie. Wie jeder weiß, hat Marx Hegels Begriff des absoluten Geistes durch den des menschlichen Kollektivsubjekts ausgetauscht. Das war Quatsch und später bekanntlich ein pfiffiger Trick, um die Diktatur der wenigen Erleuchteten zu rechtfertigen. Nehmen wir mal hypothetisch an, ich hätte mit Che Guevara zusammen die solare Effizienzrevolution gemacht. Und Genosse Che hätte plötzlich hinter meinem Rücken die Atomenergie in den ökologischen Fünfjahresplan reingeschrieben. Che war ja, wie jeder weiß, ein alter Atomfreak. Dann hätten wir natürlich tierisch Knatsch gekriegt. Gehört die Atomkraft zum richtigen Ökobewusstsein wegen CO2 und so? Nehmen wir weiter an, Che hätte mich öffentlich ermahnt, meine reaktionäre Antiatomkrafthaltung zu widerrufen. "Niemals!", hätte ich gerufen, worauf mich der gut aussehende Asthmatiker ruckizucki an die nächste, gut gedämmte Passivhauswand gestellt hätte.

Sie finden das übertrieben? Dann schicke ich ihnen mal einige Kommentare von Biotreibstoffgegnern, die mich wegen meiner Liebe zum Rapsölautofahren exkommunizieren wollen. Für jene und alle Autoabfackler eine wichtige Nachricht. Nichts wird uns vom gesellschaftlichen Argumentieren, Suchen, Zweifeln und Streiten erlösen. Weil es nämlich weder Ökoparadies noch Kommunismus gibt. Beides kann also gar kein Ziel sein. Und auf keinen Fall sollten wir uns auf den Weg dorthin machen, sondern daheim bleiben, den Unterbau isolieren und den Überbau mit Solarmodulen vollknallen.

18.01.2011 | Dienstag | taz Nr. 9397 | Seite 14 | 107 Zeilen | tazzwei | KOLUMNE ÖKOSEX VON MARTIN UNFRIED

 

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