Der E-Auto-Test | 14.09.2021 | Dienstag | FUTURZWEI Nr. 18 | taz.futurzwei.org | Magazin für Politik und Zukunft E-AUTO-TEST MARTIN UNFRIED Der Elektroroller Kumpan 54i:gnite Wenn die tägliche Strecke zur Arbeit für das E-Bike zu weit, mit dem ÖPNV nicht zu machen und es grotesk ineffizient ist, sie mit einem 1,5-Tonnen-Auto zu bewältigen, können elektrifizierte Motorräder und Roller helfen. Im Januar 2021 waren in Deutschland rund 48,2 Millionen Pkw angemeldet. Das ist der höchste Stand aller Zeiten. Es gibt also keine Anzeichen dafür, dass die Mehrheitsliebe zum Auto wackelt. Gleichzeitig zeigen die Studien zur Klimaneutralität, dass wir weniger Autos brauchen, und die elektrifiziert und viel effizienter. Bis 2030 müssen nach den Zielen des neuen Klimaschutzgesetzes der Bundesregierung rund 14 Millionen Autos mit Verbrennungsmotoren durch E-Autos ersetzt sein. Und Klimaneutralität erfordert auch 30 bis 50 Prozent weniger Zulassungen, wie einige Studien zeigen, etwa von Agora Energiewende. Es ist verständlich, dass Industrie und Parteien diese Wahrheit im Wahlkampf lieber verdrängen. Und um einige Fahrradfreunde zu enttäuschen: Die Niederlande zeigen, dass eine professionelle Fahrradinfrastruktur zwar die Lebensqualität in den Städten wesentlich verbessert, aber die Rolle des Autos und des Autobesitzes in der Fläche nicht wirklich verändert hat. Umso erstaunlicher, dass neben Auto, Fahrrad, Pedelec und öffentlichem Verkehr andere Fahrzeugtypen in der Diskussion kaum eine Rolle spielen. Was aber, wenn die tägliche Strecke zur Arbeit für das E-Bike zu weit, mit dem ÖPNV nicht zu machen, und es grotesk ineffizient ist, sie mit einem 1,5-Tonnen-Auto zu bewältigen? Hier können elektrifizierte Motorräder und Roller helfen. Werden viele Pendlerkilometer nicht mit dem fossilen Auto, sondern mit einem elektrifizierten Roller gefahren, so ist das eine große Verbesserung in Sachen Lärm, lokale Emissionen, Platzbedarf und CO2. Und selbstverständlich auch klimafreundlicher als ein Elektroauto. Umso absurder ist der deutsche Umweltbonus. Der Staat zahlt seinen Bürgern 6.000 Euro beim Kauf eines Elektroautos, jedoch 0 Euro beim Kauf eines Elektrozweirades. Und das, obwohl auch die Materialeffizienz dieser Fahrzeugkategorie wegen der deutlich kleineren Akkus viel besser ist. Aus Wettbewerbsicht ist das also eine heftige Diskriminierung. Das gilt beispielsweise für den getesteten Elektroroller Kumpan 54i:gnite (sic!), der von der jungen deutschen Firma Kumpan aus Remagen am Rhein hergestellt wird. Das Unternehmen muss seinen E-Roller ganz ohne staatliche Förderung verkaufen und versucht das nicht zuletzt mit einem attraktiven Vintage-Design in Anlehnung an die klassische Vespa. Das Spitzenmodell, »made in Germany« und mit drei Akkus unter der Sitzbank, kostet etwas über 7.000 Euro. Der Roller ist solide gebaut, fährt in der Spitze fast 100 km/h, kommt mit einer Ladung zwischen 80 und 100 Kilometer weit und verbrauchte im Test um die 5 kWh auf 100 Kilometer. Ist das viel? Die effizientesten E-Autos brauchen im Schnitt 15 kWh, ein elektrifizierter SUV wie der Audi e-tron eher 25 kWh. Für alle, die in der Etagenwohnung leben, hat der Kumpan einen entscheidenden Vorteil: Die öffentliche Ladeinfrastruktur kann einem egal sein, denn die Akkus kann man in die Wohnung mitnehmen und an der normalen Steckdose aufladen. So kosten 100 Kilometer Fahren etwa 1,20 Euro. Oder noch günstiger: Man lädt im Büro mit dem Strom des Arbeitgebers. Es gibt schon länger Elektroroller, besonders von chinesischen Herstellern, die als Moped zugelassen werden und 45 km/h fahren. Die meisten Roller der Firma Kumpan gehören auch in diese Kategorie. Der Vorteil: ein Autoführerschein genügt als Fahrerlaubnis. Der Nachteil ist, dass diese Roller in der deutschen Großstadt etwas zu langsam sind, um im Verkehr gut mitzuschwimmen. Und auf dem Land macht das Pendeln keinen Spaß, wenn die Autos an einem vorbei rasen. Der Kumpan 54i:gnite dagegen ist in der Klasse bis 125 ccm Hubraum eingestuft und könnte deshalb für viele Autopendler eine interessante Option sein. Auf den Landstraßen zwischen Maastricht und Aachen gilt meistens 80 km/h, weshalb der Roller selbst im leicht begrenzten Komfortmodus genug beschleunigt, um auch kurz überholen zu können. Im Sportmodus ist die Beschleunigung heftig, aber dadurch war das Auffahren auf die Autobahn kein Problem. Wer lange eine Vespa mit Handschaltung gefahren ist, genießt das mühelose Cruisen, ohne zu schalten. Mein Bekannter fährt und restauriert passioniert alte Lambrettas. Bei einer gemeinsamen Ausfahrt nach Belgien musste er zugeben, dass der Kumpan Laune macht, aber keinen Lärm. Der Roller ist deshalb auch ein Segen für alle Dörfer, die unter Auto- und Motorradlärm leiden. Weil Leute mit Autoführerschein seit Kurzem mit neun Fahrstunden und ohne Prüfung auch Leichtkrafträder bis 125 ccm fahren dürfen, kommt langsam Bewegung in den Markt der schnelleren Roller. Vespa baut jetzt einen, allerdings ohne mitnehmbare Akkus. Die chinesische Firma Niu konkurriert wesentlich günstiger und mit 70 km/h Spitzentempo. Aber der größte Wettbewerber des Kumpan kommt von der VW-Konzerntochter Seat: Unter dem Namen MÓ 125 verkaufen Seat-Händler ab sofort den spanischen Elektroroller der Firma Silence. Ähnliche Reichweite, aber etwas günstiger als der 54i:gnite. Mal sehen, wie sich der Kumpan behauptet.■ KUMPAN 54i:gnite, Leistung: 7 kW; Geschwindigkeit: 100 km/h; Reichweite im Test: um die 90 km (bei drei eingesetzten Akkus); Akku: Lithium-Ionen-Akkus mit 4,5 kWh; Ladedauer: bis zu 4 Stunden; Preis: 7.316 Euro. Bildnachweis: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Messe_i-Mobility_2012-by-RaBoe-149.jpg https://w.wiki/4LnZ RaBoe/Wikipedia Text: Ra Boe / Wikipedia, Messe i-Mobility 2012-by-RaBoe-149, Zuschnitt, CC BY-SA 3.0 DE Plain Text: Ra Boe / Wikipedia (https://w.wiki/4LnZ), „Messe i-Mobility 2012-by-RaBoe-149“, Zuschnitt, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode HTML: Ra Boe / Wikipedia, CC BY-SA 3.0 DE


Foto: Wikimedia Commons: Ra Boe / Wikipedia, i-Mobility 2012-by-RaBoe-149, Zuschnitt, CC BY-SA 3.0 DE
 

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