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Klimabilanz der taz

24.01.2012 | Dienstag | Meinung und Diskussion
Debatte-Energiewende | taz.de-Titel: "Attacke von rechts"

 

Kosten und Kommunikation

Selbst die politischen Freunde der Energiewende führen die Kostendebatte zu defensiv

 

Man stelle sich vor, der deutsche Wirtschaftsminister fordere, wegen der sprudelnden Gewinne der Automobilkonzerne staatliche Hilfen einzustellen: etwa die steuerlichen Abschreibemöglichkeiten großer Dienstwagen oder die staatlichen Hilfen beim Aufbau der Elektromobilität. Zur Begründung bemüht er ein soziales Argument: Der Bezieher mittlerer Einkommen in Gelsenkirchen solle doch nicht über seine Steuern den Porsche Cayenne des schwäbischen Zahnarztes mitfinanzieren.

Gefährdete Energiewende

Natürlich würden niemals Arbeitsplätze in der Autoindustrie durch eine solche Wirtschaftspolitik gefährdet. Anders sieht es bei der Photovoltaik (PV) aus. Ingo Arzt hat (in der taz vom 21. 1. 2011) viel Richtiges gesagt zu den falschen Argumenten des Solarbashings. Doch er hat die politische Bedeutung der Anfeindungen gegen Photovoltaik und EEG verharmlost. Denn selbst im Jahr 2012 geistern noch falsche Argumente und falsche Kostenkalkulationen durch die Republik, die eine beschleunigte Energiewende immer noch gefährden können.

Ein Indiz: Niemand darf sich so richtig öffentlich über den gewaltigen Zubau 2012 freuen. Diese Bundesregierung vermeidet es, auch nur zu kommunizieren, dass das kleine Deutschland den Durchbruch der Energietechnologie des 21. Jahrhunderts auf den Weg gebracht hat. Und ebenso erstaunlich: Niemand fordert offen einen jährlichen Photovoltaik-Zubau auf dem jetzigen hohen Niveau, obwohl die sonstigen Erfolge in Sachen Energiewende bislang bescheiden ausfallen (Effizienz, Offshore, Leitungen, Speicher).

Der Grund für diese Zurückhaltung liegt auf der Hand: Selbst PV-Freunde fürchten die Kostenkommunikation. Genau diese zelebrieren in diesen Tagen Spiegel und FAZ(1)|(2): "Viel Geld für wenig Strom!", mahnen sie.

Genauso begründet auch Rösler seinen Vorschlag: Er möchte die Solarenergiebranche von 7 Gigawatt Zubau durch die Deckelung der EEG-Vergütung auf jährlich 1 Gigawatt begrenzen. Sprich: siebenmal weniger Wertschöpfung, die trotz chinesischer Module vor allem in Deutschland stattfindet. Natürlich gab es heftigen Widerspruch. Auch aus seiner eigenen Partei und vom zuständigen Umweltminister Röttgen, der sich letzte Woche mit der Solarbranche traf und eine monatliche - und nicht wie bisher halbjährliche - Absenkung der Vergütung einführen möchte. Dies soll helfen, schneller auf den Zubau und günstigere Module reagieren zu können.

Röttgen und Rösler, der sogar das EEG abschaffen möchte, liegen also Lichtjahre auseinander: So hat der Umweltminister auch keine weiteren Kostensenkungen gefordert, weil diese bereits nach geltendem Gesetz bis zu 28 Prozent im Jahr 2012 ausmachen werden. In der Fachzeitschrift Photon hat Jochen Siemer für verschiedene Anlagengrößen gezeigt, dass es damit möglich ist, eine Rendite von 7 Prozent und mehr zu erzielen.

Zu billige Solarenergie

Das von Gegnern gepflegte Abzockerbild der Solarbranche hat viel damit zu tun, wie über die Kosten gesprochen wird. Auch Ingo Arzt hat in der taz behauptet, ein Vierpersonenhaushalt mit 4.500 Kilowattstunden Jahresverbrauch bezahle momentan im Jahr rund 85 Euro an die Betreiber von Solarkraftwerken in Deutschland. Das ist schon deshalb schief, weil wir ja auch nicht genau auf die Stromrechnung schreiben, was uns Steinkohlestrom im Einzelnen kostet.

Die EEG-Umlage-Hochrechnungen sind aber auch fachlich falsch. Die angeblichen Mehrkosten pro Haushalt sind nämlich plump die EEG-Umlage multipliziert mit den verbrauchten Kilowattstunden. Dabei ist diese Umlage lediglich eine technische Berechnungsgrundlage für Netzbetreiber, aber kein präziser Indikator für damit verbundene Strompreiserhöhungen für Privathaushalte, geschweige denn für die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten der Erneuerbaren.

Bekanntlich verstecken sich die wahren Kosten von Kohle und Atom immer noch in Subventionen, die nicht auf der Stromrechnung auftauchen. Und noch ein Rechenfehler: Natürlich wäre unser Strompreis zu Hause im Jahr 2012 nicht 3,5 Cent billiger, wenn es die Förderung der Erneuerbaren nicht gebe. Die Preisbildung auf dem deutschen Strommarkt ist etwas komplexer.

Dabei ist die Umlage heute sogar weit weniger Indikator als vor Jahren: weil Solarstrom etwa auch den Strompreis an der Börse drückt, was allerdings die EEG-Umlage aus Berechnungsgründen sogar erhöht. Und weil die EEG-Umlage durch Sonderkosten künstlich aufgebläht wurde, die nichts mit dem Ausbau der erneuerbaren Energie zu tun haben. Dazu gehören nach einer von den Grünen in Auftrag gegebenen Studie (IZES 2012) die Einführung der Liquiditätsreserve, die sogenannte Marktprämie sowie die Ausweitung der Industrieprivilegien. Der Treppenwitz: Gerade die stromintensive Industrie profitiert sogar von den preissenkenden Effekten der Erneuerbaren, ohne den Aufbau wirklich mitzufinanzieren.

Wer heute also die Kostenkommunikation im Sinne der Erneuerbaren verbessern will, muss sich entweder für die Änderung der Berechnung der EEG-Umlage einsetzen oder deutlich machen, dass deren Aussagekraft beschränkt ist. Doch noch führen selbst die politischen Freunde der Energiewende die Kostendebatte zu defensiv. Röttgen beispielsweise hält an seinem Credo fest, den Aufbau der Photovoltaik auf 3,5 GW im Jahr begrenzen zu wollen. Das wäre immer noch eine Halbierung des derzeitigen Umsatzes.

Dahinter steckt die Furcht, ein weiteres Steigen der EEG-Umlage wäre nicht mehr kommunizierbar und gefährde das Einspeisegesetz als Ganzes. Und die Unterstellung, ein gestreckter Aufbau der PV käme günstiger wegen fallender Modulpreise in der Zukunft. Wenn damit allerdings auch global die Branche verunsichert und gebremst wird, wäre wohl kein Euro gespart.

Der Berliner Professor Volker Quaschning ist bisher einer der wenigen Experten, die genau diese Bescheidenheit infrage stellen: seiner Meinung nach wären 8 Gigawatt Zubau jährlich nötig und möglich, um den Anteil der PV beschleunigt voranzubringen. Spannend ist die Frage, wer davon wirklich profitieren würde.

MARTIN UNFRIED

Die Mär von der abzockenden Solarwirtschaft hängt damit zusammen, dass die Berechnungsgrundlagen falsch sind

 

24.1.2012 | Dienstag | taz Nr. 9709 | Seite 12 | 182 Zeilen | Meinung und Diskussion | taz-Debatte VON MARTIN UNFRIED