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Heft 05/2008 PDF-Version dieses Artikels
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"Emotionale Klimaintelligenz"

 

Mein momentanes Lieblingsthema: emotionale Klimaintelligenz. Ich finde es bizarr, dass die Wagen auf der tollen VCD Auto-Umweltliste immer noch Nischenmodelle sind. Ja, kleine Autos sind im Kommen, aber von einem Erdrutsch in Richtung 120 Gramm CO2 pro Kilometer kann man leider noch nicht sprechen. Warum ist das so? Klimaschutzwissen ist da und die ganze Nation jammert über Spritkosten. Dennoch gibt es keinen Massenboykott altbackener Spritschleudern, die gerne auch als Premiumautos bezeichnet werden. Was fehlt den Autokäufern, was auch die VCD-Liste bisher nicht knacken konnte? Es fehlt die emotionale Klimaintelligenz, die das Habenwollen steuert. Da geht es um Gefühle, die mit dem Sehnen nach gesellschaftlichem Ansehen verbunden sind.

Dazu eine heitere Sommergeschichte aus Baden-Württemberg. Der stellvertretende Ministerpräsident und FDP-Justizminister Ulrich Goll hat sich privat einen Ferrari gekauft. Laut Presse wollte er sich einen Jugendtraum erfüllen. Das ist für mich an sich schon super crazy, da mir kein peinlicheres Möchtegernauto einfällt. Zum Vergleich: Mein Jugendtraum ist eine eigene Windkraftanlage ohne Getriebe. Aber die Menschen sind eben verschieden.

Witzig war inbesondere die Ferrari-Debatte in den Medien. Einige in der CDU in Baden-Württemberg fanden den Ferrari-Kauf nicht gut. Wegen Klimaschutz und Vorbildfunktion? Nein, weil ein Porsche natürlich besser gewesen wäre wegen der heimischen Arbeitsplätze. Da schwingen zu Recht patriotische Gefühle mit. Das hat mit der generellen Lächerlichkeit überzüchteter Rennwagen eher wenig zu tun. Golls eigene Partei war auch nicht glücklich. Nicht wirklich wegen des Spritschleuder-Images. Würde der Ferrari nicht das Klischee bestätigen, die FDP sei eine Partei der Vielbesserverdiener? Tatsächlich werden Ferraris und Porsches auch gern von Zuhältern, Maklern und neureichen Oligarchen gefahren. Hier ist es die Zugehörigkeit zu einer Referenzgruppe, die die FDP als suboptimal einschätzte. Natürlich reagierten die Grünen humorlos. Der grüne Oberbürgermeister von Tübingen Boris Palmer ließ sich zu einer unpassenden Äußerung verleiten. Laut Presse meinte er, er würde sich schämen in so einer Kiste. Die Schande bezog sich auf die hohen Zeozwei-Emissionen. Palmer ist einer der wenigen Politiker in Deutschland mit einem Dienstwagen unter 120 g/km CO2 und einer gesunden Portion emotionaler Klimaintelligenz. In Ferrari-Fragen handelte er allerdings unüberlegt. Denn so konnte Goll in der Presse pfiffig auf sein klimaoptimiertes Leben hinweisen, ohne Flugreisen, mit Energiesparhaus. Da sei ein bisschen Ferrarifahren nun wirklich nicht entscheidend. Und dann kam aus der FDP zurecht der Heuchler-Vorwurf. Viele Grüne seien ja bei Lichte betrachtet alles andere als CO2-Engel. Auch das ist sicher wahr. Also merken wir uns: Moralische Auto-Argumente führen in die „Du bist doch auch ein Vielflieger“-Falle. Da wollen wir aber nicht reintappen.

Deshalb geht es auch bei der emotionalen Klimaintelligenz und beim Ferrari nicht wirklich um Moral und Schande. Es geht darum, ob ein Produkt cool ist und ob es zum gesellschaftlichen Luxusmodell taugt. Verleiht es dem Käufer eine Aura oder macht es ihn zum Wicht? Die richtige Antwort auf die Ferraris dieser Welt ist Spott. Spott und Mitleid. Nichts ist in der Konsumgesellschaft schlimmer als das müde Lächeln auf den Gesichtern seiner Mitmenschen. Wie putzig! Ein Ferrari! Wie putzig: ein Golf mit 166 Gramm CO2 pro Kilometer! Wie putzig, Atomstrom aus der Steckdose! Spotten ist nämlich ein wichtiger Beitrag zur Energie- und Verkehrswende. Spotten Sie mit.

Martin Unfried