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20.04.2014 | Sonntag | Ökosex

Sonne über Balkonien

Kleine Balkonphotovoltaiksysteme sind nicht so absurd wie manche tun, sie wären vor allem auch eine Frage der Fairness

 

Die Nachrichten zum Umbau- oder besser Abbau des EEG deprimieren. Die Regierung hat eines tatsächlich prima hingekriegt: Die Aufbruchsstimmung in der Gesellschaft, besonders bei den Bürgern, die jahrelang in Genossenschaften und Solarinitiativen aktiv waren, ist dahin. Und jenseits der komplexen Details hat eine schiefe Kommunikation zu Kosten und Nutzen gerade die frustriert, die Ernst machen wollen mit einer erneuerbaren Energieversorgung in Gesellschaft, Handwerk und Industrie.

Da ist es höchste Zeit für neue kreative Ideen. Insbesondere Ideen, die Erneuerbare für noch mehr Menschen erlebbar machen. Da bietet sich der heimische Balkon an. Noch ist es anscheinend unvorstellbar in Deutschland, dass Mieter PV-Module einfach über die Steckdose Plug & Play an das Hausnetz anschließen. Diese Debatte hat mich höchst verwundert. Ich lebe in den Niederlanden, wo es seit vielen Jahren kleine PV Anlagen gibt, die einfach über eine Schukosteckdose verbunden werden. Das wird im Moment sogar staatlich unterstützt, da der produzierte Strom vom verbrauchten Strom im Privathaushalt abgezogen wird. Es ist also legal, wenn der alte mechanische Stromzähler mit Scheibe rückwärts läuft. Womit der selbst produzierte Strom je nach eigenem Stromtarif in jedem Fall mehr als 20 Cent wert ist.

Das ist also eher dem Stromsparen gleichgestellt, bei dem wir ja auch den vollen Tarif samt Steuern mitnehmen, und wo es keine Rolle spielt, wann wir nun genau Stromsparen. Die Niederländer haben Plug-In immer recht pragmatisch auf wenige Module beschränkt und nie habe ich gehört, dass Leute damit ihr Leben, oder das Leben anderer gefährden.

Nun hatten einige Unternehmen in DE wohl in den letzten Jahren den großen Markt der Mieter im Visier und warben für diese niederländische Plug-In-Lösung beispielsweise als Balkonlösung. Mieter haben ja teilweise sonnige Stellen, wo sie durchaus ein paar Module anbringen könnten: an Balkonverkleidungen, auf Garagen und an Fassadenteilen. Und zwar so montiert, dass diese beim Auszug auch wieder abgebaut und mitgenommen werden können. Einige Freaks haben diese bescheidene Gleichstellung von Mietern in Revoluzzer-Laune zur „PV-Guerilla“ gemacht. Dementsprechend war auch die Reaktion vieler Bedenkenträger in Deutschland. Als ob es sich um eine verrückte Forderung handeln würde und nicht um eine bescheidene Frage der Gerechtigkeit.

Viele deutsche Elektroexperten machen nämlich beim Thema Plug-In ein besorgtes Gesicht und sprechen von erheblichen Sicherheitsbedenken. Da geht es um unkalkulierbare Risiken, verletzte DIN-Normen und das ganze wird häufig als unerwünschte Praxis unseriöser Anbieter abgetan. Das hat mich dann wieder heftig verwundert. Natürlich sind deutsche Sicherheitsvorschriften manchmal anders als niederländische. Wer mir allerdings erzählen will, dass unsere NL Experten alle Pfuscher sind und das Leben der Leute aufs Spiel setzen, macht sich lächerlich. Oder sind die Hausleitungen in den Niederlanden so komplett anders und viel sicherer, dass die den PV-Strom besser vertragen?

Wenn man Mietern diesen einfachen Zugang zur Photovoltaik zusteht, dann lassen sich auch die technischen Sicherheits- und Normungsfragen lösen. Das wäre in meinen Augen nur fair, da Mieter über die EEG Umlage die Technologie heftig gefördert haben. Es stimmt, dass diese sich zumindest psychologisch von der Photovoltaikwelt ausgeschlossen fühlen, was Gegner des EEGs immer wieder zur grundsätzlichen sozialen Frage hoch gejazzt haben. Natürlich konnten Mieter auch schon bisher mit bescheidenen Beträgen in eine der vielen lokalen Genossenschaften einsteigen, die größere PV-Anlagen bauen. Das war bisher sicher rentabler als die noch vergleichsweise teure Mini-Lösung.

Balkone oder Garagen haben ja auch nicht immer die optimale Ausrichtung und teilweise eher Verschattungsprobleme. Aber darum wird es potentiellen Balkonproduzenten nicht unbedingt gehen. Ihnen geht es um die Freude am eigenen Modul. Und wenn es auch nur 500 kWh im Jahr bzw. 10-20% des eigenen Stromverbrauchs sind. Das ist eben eher eine Energiesparmaßnahme. Warum nicht PV-Balkonsysteme bis zu einem festgelegten Watt-Peak-Wert ermöglichen? Und dann natürlich auch ohne Rücklaufbremse im Zähler, so dass es sich wenigstens ein bisschen lohnt.

Lustiger weise habe ich in dieser Angelegenheit eine kleine Meinungsverschiedenheit mit meinem Webmaster Armin, der Ahnung von Elektrik und auch Sicherheitsbedenken hat (siehe Zeitschrift „SONNENENERGIE“ Heft 1/2014 & Heft 2/2013). Er hat auch Bauchschmerzen wegen möglicher Balkonverschandelung. Natürlich gibt das auch eine Diskussion um ästhetische Aspekte. Ich höre die Gegner schon „Verschandelung“ rufen. Dabei könnten sich Anbieter mit pfiffigem Design auf Balkone oder Fassadenflächen spezialisieren. Noch gibt es genug schreckliche Eternit, Plastik oder sonstige Balkonverkleidungen, die den Wohnungsbau verschandeln. Da könnten hübsche Module sogar helfen.

MARTIN UNFRIED ÜBER ÖKOSEX

 

PS: Vielen Dank an die Redaktion der Zeitschrift „SONNENENERGIE“ [www.sonnenenergie.de] für die Genehmigung zur Veröffentlich der beiden Artikel zum Thema "PV-Kleinstanlagen" auf www.oekotainment.eu.

Zeitschrift „SONNENENERGIE“ Heft 1/2014 | Balkonkraftwerke | Guerilla-PV: PV-Kleinstanlagen können teil der Grundlast im Haushalt decken | 20140101-se-2014-01-s044-photovoltaik-balkonkraftwerke.pdf

| www.sonnenenergie.de/sonnenenergie-redaktion/digital/SE-2014-01/a-11.html


Zeitschrift „SONNENENERGIE“ Heft 2/2013 | Guerilla-PV | Stromschläge und Brände durch PV-Module für die Steckdose verhindern | 20130301-se-2013-02-s034-photovoltaik-guerilla-pv.pdf

| www.sonnenenergie.de/index.php

 

Weitere Links:


de.wikipedia.org/wiki/Erneuerbare-Energien-Gesetz


de.wikipedia.org/wiki/Watt_Peak



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