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Heft 01/2008 PDF-Version dieses Artikels

 

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"Autoemocion"

 

Ich war Fasching schunkelnd in meiner schwäbischen Heimat unterwegs. Wo vor dem Haus eines jeden Narren mindestens ein Daimler und jede Menge hochmotorisierte Zweit- und Drittwagen stehen. Da versteht man deutlich, was Kulturhoheit bedeutet. Wenn die Anhäufung von lächerlichen Spritschleudern als völlig normal gilt. Wo anscheinend von der E-Klasse noch genug Autonarren träumen. Stand jedenfalls in der Autozeitung meines Schwiegervaters, der ist ADAC-Mitglied. Der dachte auch lange Zeit, ich sei ein Autohasser. Nichts ist falscher als das. Ich bin ebenfalls ein Autonarr, nur mit anderen „Autoemociones“ ausgestattet. Ich fahre einen 85er VW. Also 85 g/km CO2. Das ist das gute alte Drei-Liter-Auto, das in den 90er Jahren des vorigen Jahrtausends entwickelt wurde und jetzt nicht mehr gebaut wird. Obwohl das ein Familienauto ist. Wir fahren damit zu viert mit Koffern. Ganz kleinen Koffern eben. Im Grunde ist das Drei-Liter-Auto schon ein Oldtimer. Deshalb habe auch ich Autoträume. Unser nächster Wagen sollte mindestens ein Zwei-Liter-Auto sein mit 50 g/km CO2-Ausstoß. Ich träume von einen Gewicht von 500 Kilo, 20 PS, in 25 Sekunden auf 100, Spitze 125 km/h und Platz für vier. Ich träume vom eleganten Segeln über die Autobahn, aufladen zuhause mit grünem Strom. Aber ob das ein Plug-in-Hybrid wäre oder einer mit einer sauberer Verbrennung, wär mir eigentlich egal. Ich bin natürlich auch bereit, was dafür auszugeben. Doch für meine Träume interessiert sich leider kein Konzern. Eigentlich sollten wir ja heute schon alle in duften Wasserstoffapparaten rumfahren. Was haben die Autokonzerne mir Ende der 90er Jahre nicht alles versprochen. Und heute wollen sie mir im Jahr 2008 immer noch ihre langweiligen, überdimensionierten Kutschen andrehen. Zum Vergleich: Wäre ich ein normaler „Brummbrumm“-Fetischist, der auf überhöhte Geschwindigkeit abfährt, dann hätte ich jedes Jahr die Auswahl unter Dutzenden von neuen Modellen, die mich noch schneller, und noch raketenmäßiger in Richtung 280 km/h katapultieren. Aber für mich, den ganz normalen Effizienzfetischisten, hat diese Industrie fast zehn Jahre lang nix Aufregendes zustande gebracht.

Mit den neueren Modellen, da können sie vielleicht anspruchlose Acht-Liter-Fahrer beeindrucken. Glaubt denn beispielsweise VW, ich würde im Ernst einen Polo Blue Motion kaufen, das angebliche tolle Ökomodell? Dieser ist mit einem Verbrauch von 3,9 Litern und 99 g/km CO2 angegeben. Rückschritt durch Technik? Jedes Jahr studiere ich stundenlang die neue VCD Auto-Umweltliste. Doch 2007 wiederum die Enttäuschung: Erwartet denn der VCD, dass ich den Prius kaufe? Eben hab ich noch in der Autozeitung meines Schwiegervaters gelesen, dieser sagenumwobene Hybrid-Witz habe im Langzeittest einen Schnitt von 5,6 Litern Super verbraucht. Glaubt denn jemand, mit 5,6 Litern fossilem Brennstoff 100 Kilometer fahren, das würde ich mir antun? Wir fahren in der Praxis mit 3,7 Litern. Erwartet jemand von einem Porsche-Fahrer, dass er plötzlich statt mit 280 km/h Spitze mit 220 km/h zufrieden sein soll?

Natürlich kenne ich die Gesetze des Marktes. Warum kam bisher kein Autobauer mit einem faszinierenden Produkt für mich? Weil meine Autoträume bisher noch nicht Mainstream sind. Weil sie nicht einmal im Kreis der Klimaschutzfreunde wirklich etabliert sind. Weil auch viele VCD-Freunde einfach zu anspruchslos sind. Das muss sich ändern. Ich mache das nicht selbstlos, sondern weil ich endlich eine breite Kundengruppe aufbauen möchte, für wirklich moderne Autos. Nicht für Steinzeitmobile. Deshalb rufe ich zur knallharten Kampagne auf: „Kauf keinen über 85 g/km CO2.“ Ja, ich weiß, da gibt es nix. Das ist ja der Witz. Die Zeit der Bescheidenheit ist vorbei.

Martin Unfried