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08.09.2015 | Dienstag | Kommentar | zeozwei | Das Umweltmagazin: Magazin für Klima. Kultur. Köpfe.
Wann immer ich Hermann Scheer traf, kam das Thema auf die EU-Energiepolitik. Meistens erklärte er mir, dass er für Windkraft und Photovoltaik Schlimmes befürchte, weil die Kommission wieder das Erneuerbare-Energien-Gesetz abschießen wollte. Es ging ihm um Schadensvermeidung. Dabei war er aber stets blendend gelaunt.
Scheer, offiziell SPD-Bundestagsabgeordneter, war ein Weltpolitiker, der mehr für den Klimaschutz bedeutet hat als alle UN-Konferenzen zusammen. Weil er außerhalb des Mainstreams dachte. Er ist 2010 gestorben.
Schaden begrenzen: Das wäre wohl auch seine Haltung in Sachen Paris. Tatsächlich kam der industrielle Durchbruch der Erneuerbaren nicht wegen, sondern trotz UN-Verhandlungen, die systembedingt von fossilen Bremserstaaten bestimmt werden. Scheer hätte sicher keine Hoffnung, dass das bei der Konferenz in Paris anders würde. Er hielt die Idee der Verhandler für falsch: ein globaler Minimalkonsens auf unzureichende Minderungsziele, von denen sich ein Land sogar freikaufen kann, wenn es andernorts auf der Welt Klimaschutz bezahlt. Bestes Beispiel: In den Niederlanden wurden die Erneuerbaren kaum ausgebaut. Das im Kioto-Protokoll vereinbarte Ziel zur Treib-haus-gasminderung schaffte das Land trotzdem.
Scheer hielt nichts von den Instrumenten, mit denen die Staaten operierten, dem Handel mit Verschmutzungsrechten etwa. So hatte er prognostiziert, dass der europäische Emissionshandel scheitern werde, weil der Industrie zu viele CO2-Zertifikate zugeteilt und die Preise zu niedrig sein würden, um Investitionen in klimaschonende Energien anzustoßen. Genau diese Nebenwirkungen haben in der EU bis heute eher der Kohle geholfen, nicht den Erneuerbaren. Auch für Paris gilt: Nebenwirkungen verhindern. Treibhausgasreduktionen müssen zu Hause erbracht werden – auch wenn es erst teurer scheint, in Europa in Solarenergie zu investieren als in effizientere Kohlekraft in Asien. Diese Ideologie des möglichst »billigen Klimaschutzes« stand dem technologischen Durchbruch lange im Weg.
Die industrielle Photovoltaikrevolution mit spektakulären Preisstürzen hat gezeigt, wie kurzsichtig diese Kosteneffizienz-Doktrin war. Scheer glaubte an den Erfolg derer, die im eigenen Land jenseits der fossilen Oligopole Investitionen in Erneuerbare ermöglichen. An den rasanten Durchbruch von Technologien durch Massenproduktion. An Klimaschutz mit erneuerbaren Gewinnern und fossilen Verlierern.
Die meisten Experten beschwören in ihren Paris-Vorschlägen immer noch den globalen Klimaschutzkonsens. Und obwohl die Kritiker mehr werden, halten viele fest an der Idee des globalen Handels mit Emissionen. Hermann Scheer würde wohl immer noch – wo nötig – nationale Einspeisevergütungen für die Erneuerbaren fordern, die bisher am effektivsten fossile Stromkonzerne entmachtet haben. Und nationales Ordnungsrecht: ein Verbot von Kohlekraftwerken, fossilen Heizungen und so fort. Das Undenkbare eben.
MARTIN UNFRIED ist Experte für europäische Umweltpolitik in Maastricht und Erfinder von Ökosex.
Hermann Scheer:
de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Scheer
www.eurosolar.de/de/images/stories/diverses/Sonderdruck%20HS%20web.pdf
www.eurosolar.de/de/images/stories/RLSVideo/Keynote/Keynote.flv
oekotainment.eu/archiv/peter-unfried/html/groesser-als-die-beatles-schneller-als-der-rest/
08.09.2015 | Dienstag | zeozwei 4/2015 | www.zeozwei.de | Das Umweltmagazin: Magazin für Klima. Kultur. Köpfe. | Titelthema: „Uns bleibt immer Paris“ – Das Sonderheft zur Klimakonferenz in Paris | ANDERS DENKEN: Was würde Hermann Scheer zu Paris sagen? ... MARTIN UNFRIED?
oekotainment.eu/archiv/html/was-wuerde-hermann-scheer-zu-paris-sagen/
Die vollständige Sammlung aller Beiträge von Martin Unfried finden Sie unter:
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