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Heft 01/2010 PDF-Version dieses Artikels

 

"Autokaufberatung | Wirklich lieben darf man sein Auto erst ab unter 100 Gramm."

 

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihrer Weihnachtsansprache gesagt, sie empfehle den Deutschen, ab 2010 nur noch Autos zu kaufen, die unter 100 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Alles andere sei unmoderner Murks und das Spritgeld zum Fenster rausgeworfen. Äh, Moment mal? War das die Audi-Kanzlerin? Und an Weihnachten? ‘Tschuldigung, ich korrigiere mich, das muss ein Wunschtraum gewesen sein. Jetzt fällt es mir wieder ein: Es war in einer Neujahrsansprache. Und zwar habe ich mit diesen Worten vor Freunden und Verwandten meine neue Neuwagenrichtlinie vorgestellt. Merken Sie sich einfach hundert Gramm wie Hundekamm. Als kleine Eselsbrücke. Warum? Weil Kinder und Brummbrumm-Fetischisten klare Ansagen brauchen, sonst sind sie orientierungslos.

Ich kriege ja viele Anrufe aus dem Bekanntenkreis. Immer wenn sich jemand eine Kiste kaufen will, möchte er erst mal eine Art Absolution von mir. Hängt irgendwie mit meiner Reputation zusammen. Die wissen nämlich, dass ich bei einem Fehlkauf ganz schön ungemütlich werden kann. Dann brüll’ ich schon mal ins Telefon. „Ein Golf Benziner mit 149 Gramm CO2 pro Kilometer!? Bist du wahnsinnig, elender Spritvernich-ter!? Willst du, dass sich deine Kinder in der Schule schämen müssen!? „Ja aber“, entgegnen die unbedarften Golffahrer unschuldig, „140 Gramm pro Kilometer war doch noch vor zwei Jahren ein ganz schöner Wert?“ Ja, sage ich, und ein Röhrenfernseher war noch vor kurzem ein Hightech-Produkt! Und eine Currywurst Haute Cuisine. Heute aber haben wir 2010, und es gilt: „Über 100 CO2, bist du deppert, weiches Ei?!“

Das ist mein offizieller 100-Gramm-Slogan 2010. Wenn schon die Autoindustrie und die Politik auf Steinzeit setzen, heißt es, auf die Nachfragetube drücken. Und klare Ansagen wirken. Ein Freund aus Berlin rapportierte letzte Woche stolz den Austausch seines Autos mit 150 Gramm CO2 pro Kilometer gegen einen Neuen mit 109 Gramm. Gut gemacht, sagte ich. Schlau: Er hatte sich den Kombi gerade noch im Jahr 2009 bestellt, als meine offizielle Neuwagennorm noch etwas höher lag. Die geht nämlich jedes Jahr degressiv mit zehn Gramm nach unten. Eine Freundin aus Dresden rief mich gestern aufgeregt an und berichtete stolz und ergriffen von 89. Sie hat ein neues Auto, das nur noch 89 Gramm pro Kilometer ausstößt. Das ist beinahe die Hälfte vom derzeitigen durchschnittlichen Flottenverbrauch in Deutschland – und damit hat sie die Ansage für 2010 schon übererfüllt. Sehr, sehr gut, lobte ich sie. Bei Kindern und Autokäuferinnen ist die positive Rückkopplung ungeheuer wichtig. Da kann man nicht genug loben.

Übrigens wird meine Neuwagen-Richtlinie im Jahr 2015 genau 50 Gramm CO2 pro Kilometer betragen. Das ist gut für die Autoindustrie. Die weiß nun endlich, wie sich das Kaufverhalten von Millionen Menschen im Autohaus entwickeln wird. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass sich das als bundesweite gesellschaftliche Norm durchsetzt. Ich hoffe, Sie helfen mir dabei und werden wie ich sendungsbewusster Autoberater. Schöner gesagt: Car Consultant.

Nein, das ist nicht unbedingt nur im Sinne der Autogesellschaft. Natürlich arbeiten wir mit einer ganz ausgebufften Stufenberatung. Unsere erste Reaktion auf jeglichen Neuwagenwunsch ist defensiv: Kauf Dir ein g’scheites Fahrrad. Sind die zurückzulegenden Strecken dann offensichtlich etwas weiter, lenken wir das Interesse auf Pedelecs. Kindertransport zum Flötenunterricht? Da heißt das Zugeständnis Rikscha, Bus, Bahn, Straßenbahn, CarSharing, Trampen. Erst wenn nach Stunden der Beratung der Autowunsch vom Antragsteller tatsächlich überzeugend begründet wird, lassen wir die 100 Gramm-CO2-Katze aus dem Sack. Aber natürlich nur als Ultimo Ratio. Mit Absolution.

Martin Unfried

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