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08.03.2012 | Donnerstag | Meinung und Diskussion | taz
Nicht nur die Solarbranche soll abgewickelt werden. Wesentliche Elemente des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes stehen auf dem Spiel
"Davon geht die Sonne nicht unter", kommentierte die taz vorige Woche (Manuel Berkel, taz, 1. 3. 2012) in Sachen Photovoltaik-Kürzung ironisch. Diese Kürzung sei kein Problem für den Erfolg der Energiewende. Endlich kümmere sich die Regierung um die Kosten für die Verbraucher. Und mit Blick auf die Installation von Solarmodulen könnten wir beruhigt auf die Bremse treten. Wir hätten ja noch einige Jahrzehnte bis zur geplanten erneuerbaren Vollversorgung.
Drei Missverständnisse
An dieser Haltung erstaunen drei Dinge: zum einen die Vorstellung, die jüngsten Reformvorschläge der Regierung zum EEG würden nur die Photovoltaik (PV) betreffen und hätten keine grundlegende Bedeutung für das gesamte Erneuerbare-Energien-Gesetz und alle Erneuerbaren.
Zum Zweiten wird suggeriert, die Solarbranche und die damit verbundenen Investitionen und Arbeitsplätze könnte man mal so eben für ein paar Jahre auf kleiner Flamme fahren und sie dann später wieder beliebig anwerfen. Und zum Dritten wird die Kostenargumentation der Regierung übernommen und behauptet, ein heftig abgebremster Solarausbau wäre eine wesentliche Kostenbremse und somit relevant für die Stromkosten im Privathaushalt.
Die Vorschläge stellen aber sehr wohl die Grundlagen des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) infrage: das Recht auf Stromeinspeisen und die vollständige Abnahme des Stroms durch den Netzbetreiber mit einer festen Vergütung für zwanzig Jahre. Es bleibt zwar das Recht auf Einspeisung, dessen Wert würde allerdings schwer beschädigt. Der Netzbetreiber müsste nämlich bei PV nur noch 85 Prozent bei kleinen und 90 Prozent bei großen Anlagen über den Zeitraum von zwanzig Jahren vergüten. Klingt harmlos und nennt sich Marktintegration, ist aber im Grunde der Ausstieg aus dem Prinzip der festen Vergütung. Das wäre ein politischer Systemwechsel. Es bedeutet nämlich, auch die Windenergie kann sich schon mal auf ein Ende der garantierten Vergütung des gesamten Stromes einstellen. Natürlich verunsichert dies die gesamte Branche und wird auch Auswirkungen haben auf künftige Kapitalkosten.
Daneben stellt der Regierungsvorschlag demokratische Spielregeln des Gesetzes infrage: Bisher war der Bundestag für die Änderungen der Geschäftsgrundlagen, nämlich der Vergütungssätze zuständig. Und diese wurden transparent in ankündigten Zeiträumen verhandelt. Im Rösler/Röttgen-Vorschlag wollen sich nun die beiden Ministerien dazu "ermächtigen", die Anpassung der Vergütungen "ad hoc" regeln zu können. Somit geht es nicht um Peanuts, sondern um die Frage, wer die Energiewende steuert.
Entmachtung des Parlaments
Das tat bisher der Bundestag. Und mit Blick auf die Legitimation der Energiewende sollten auch im Bundestag die wesentlichen Entscheidungen diskutiert und nach transparenter Anhörung beschlossen werden. In Zeiten, in denen das Bundesverfassungsgericht regelmäßig ein "zu wenig" an parlamentarischer Kontrolle beklagt, wird das Parlament die eigene Entmachtung durch Röttgen und Rösler hoffentlich nicht so einfach hinnehmen.
Wie steht es nun um die Vorstellung, der Ausbau der Photovoltaik könne aus Kostengründen für ein paar Jahre erst einmal runtergebremst werden, um ihn dann später vielleicht wieder anzuwerfen? Ziel der Regierung ist für dieses Jahr eine Halbierung der Installation von 2011. Danach soll es weiter bergab gehen, bis im Jahr 2017 nur noch ein Bruchteil der Spitzenwerte installiert werden soll.
Nun könnte man optimistisch sagen, dieser sogenannte Ausbaukorridor sei kein fester Deckel und stehe nur auf dem Papier. All die Jahre hatte die Branche ja Kürzungen trotz Horrorszenarien immer gut weggesteckt. Allerdings scheint die Regierung dieses Mal tatsächlich gewillt, Solarprojekte offensiv zu verhindern. Und um ein weitverbreitetes Missverständnis auszuräumen: Hier geht es nicht in erster Linie um die Gewinne deutscher und chinesischer Modulproduzenten, sondern um Handwerker, Projektentwickler, Landwirte und Privathaushalte, die aktuell in Deutschland Milliarden-Investitionen planen. Schon die strategische Verunsicherung von Wirtschaftsakteuren ist einzigartig und ein Skandal.
Politik für die Großen
Die Ankündigung Ende Februar kam überfallartig: Die Kürzungen würden bereits am 9. März in Kraft treten. Dies hat zu einer Welle an Stornierungen und zu einer Art Schockstarre derer geführt, die aktuell Projekte planen. Dahinter steckt die Vorstellung, die Politik könne eine Branche beliebig aus- und anknipsen. Welche Unternehmen und Handwerker aber sollen denn die Systempreise durch Innovationen in den nächsten Jahren weiter senken? Diejenigen, die nicht mehr da sind?
Auch hier geht es um Kosten: Die deutschen Haushalte haben mit ihrem Geld effiziente, wirtschaftliche Strukturen aufgebaut, die eine unerwartete Beschleunigung des PV-Aufbaus möglich gemacht haben. Es ist naiv zu glauben, der Abbau dieser Kapazitäten, nämlich Insolvenzen und Arbeitsplatzverluste seien umsonst. Und ebenso fragwürdig ist, dass die eingesparten EEG-Kosten diese Pleitewelle kompensierten. Die wesentlichen Kosten der PV im EEG sind nämlich Kosten der Vergangenheit. Die bleiben auch, wenn ab morgen nichts mehr installiert wird. Warum Deutschland gerade dann den Ausbau stoppt, wenn die Module und der Ausbau wirklich günstig werden und Spielraum bleibt für Innovationen in Sachen Netzintegration, ist nicht schlüssig. Große Parks über 10 Megawatt sollen ganz aus der Förderung fallen, obwohl diese am schnellsten Strom zu Preisen produzieren, der laut der Fachzeitschrift Photon heute mit Offshore- und bald mit Onshore-Wind konkurrieren könnte.
Es geht der Regierung eben nicht nur um Kosten, sondern auch um die Beruhigung der Energiekonzerne. Der spektakuläre Solarausbau bedroht nämlich heute schon die Interessen und Gewinne der Großen. Er senkt nicht nur den Börsenstrompreis zur Mittagsstunde, sondern stellt bisherige fossile Kraftwerksplanungen infrage. Er ist damit wesentlicher Teil der Energiewende, die nun bedroht ist.
MARTIN UNFRIED
Im Rösler/Röttgen-Vorschlag wollen sich nun die beiden Ministerien dazu "ermächtigen", die Vergütungen "ad hoc" zu regeln
08.03.2012 | Donnerstag | taz Nr. 9747 | Seite 18 | 181 Zeilen | Meinung und Diskussion | taz-Debatte VON MARTIN UNFRIED
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