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10.12.2019 | Dienstag | FUTURZWEI Nr. 11 | Buchbesprechung
Buch von Michael Kopatz
In dem neuen Buch von Michael Kopatz stecken so viele konkrete politische Vorschläge, dass sie für zehn Talkshows reichen sollten. Schluss mit der Ökomoral meint, dass wir eben nicht diskutieren, ob der eine Klimaschützer doch nach Bali geflogen ist oder der böse Nachbar einen SUV fährt. Michael Kopatz’ Credo lautet: Klima- und Umweltschutz braucht Politik, und damit einen Rahmen, der umweltfreundliches Handeln zum Standard macht und den Mut zur Begrenzung hat. Dazu macht der Wissenschaftler vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie fundierte Vorschläge. Man kann die Start- und Landerechte und den Ausbau der deutschen Flughäfen einfach einfrieren, um das Wachstum im Flugverkehr zu vermeiden, ebenso den Straßenbau. Man kann keine neuen Autobahnen und Bundesstraßen mehr bauen, sondern in Unterhalt und ÖPNV investieren oder mit Blick auf den Klimaschutz die Zahl der Neuzulassungen von Autos begrenzen. Das Tempolimit auf Autobahnen gehört dazu, auch die Freiheit für Kommunen, Tempo 30 selbst festlegen zu dürfen, um die Städte lebenswerter und sicherer zu machen.
Kopatz schlägt mit Blick auf die konventionelle Landwirtschaft vor, die Fläche pro Tier im Stall schrittweise anzuheben in Richtung Biolandbau, die maximale Transportdauer von Tieren von 29 Stunden schrittweise auf acht Stunden abzusenken, damit die Quälerei aufhört. Dazu kommt die Anpassung anderer Regeln im Agrarsektor: zur Tierhaltung, zum Gülleeintrag, zur Flächenbindung, um abgestimmt in der EU die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen.
Kopatz macht da weiter, wo er mit seinem Buch Ökoroutine 2016 angefangen hat. Er buchstabiert durch, was Klimaschutz braucht: Echte Politik, die nicht an Wirtschaftsakteure und Konsumenten appelliert und auf deren Einsicht hofft, sondern durch gesetzliche Vorlagen für alle neue Standards und einen neuen Rahmen setzt. Damit hebt er sich zum einen wohltuend ab, von jenen, die glauben die Preise würden es schon richten. Was beim Flugund Autoverkehr tatsächlich naiv ist: Nur weil der Sprit ein bisschen teurer wird und der Flug ein bisschen weniger billig, wird das problematische Wachstum nicht verhindert. Auch der Markt wird es nicht immer richten. Er kann vielleicht helfen »Ökoroutinen«, also das selbstverständliche umweltfreundliche Verhalten anzustoßen.
Zum anderen – und das meint der Titel des Buches – zertrümmert Kopatz die Hoffnung auf einen Wandel, der durch die individuelle Einsicht der Konsumenten ausgelöst wird. Das dies nicht funktioniert, belegen seine eigenen Erfahrungen mit Bekannten, die im Buch ausführlich beschrieben werden: die Gutverdiener, denen das Biofleisch doch zu teuer ist, die Umweltbewussten, die doch ständig durch die Welt fliegen. Schluss mit der Ökomoral heißt aber bei ihm nicht, dass der Einzelne nicht versuchen sollte, Klimaschutz auch zu leben. Es heißt allerdings, dass ein politisches Problem – wie die Klimaerhitzung – nur mit Politik und nicht dadurch gelöst wird, dass wir alle gute Menschen werden. Erst muss der politische Rahmen stimmen. Der aufziehende Kulturkampf (wer leugnet, wer heuchelt?) lenkt nur von den eigentlichen politischen Fragen ab.
Es sei wichtiger, sagt Kopatz, gegen den Ausbau des Flughafens zu demonstrieren und sich für entsprechende politische Mehrheiten einzusetzen, als im Bekanntenkreis die Urlaubsflüge moralisch zu kritisieren. Und es ist wichtiger, die Produktion zu verändern als den Konsum. ■
MICHAEL KOPATZ: Schluss mit der Ökomoral!
Oekom, 2019 – 240 Seiten, 20 Euro
ISBN: 9783962386016
MARTIN UNFRIED
10.12.2019 | Dienstag | FUTURZWEI Nr. 11 | Seite 68 | taz.futurzwei.org | Magazin für Politik und Zukunft | Titelthema: Richtige Klimapolitik | Martin Unfried | Rezension: Schluss mit der Ökomoral! Buch von Michael Kopatz: | Bio: de.wikipedia.org/wiki/Martin_Unfried
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