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Heft 06/2009 PDF-Version dieses Artikels

 

"Ran an die Ausredengesellschaft"

 

Sind Sie auch im Kopenhagener Klimaschutzfieber? Oh, ist das nicht alles schrecklich! Total deprimierend? Ich habe zur Aufheiterung in eine schöne Studie geschaut, geschrieben von Prognos und vom Öko-Institut für den WWF. Überraschung: Wenn wir wirklich wollten, dann ginge da was mit ­erneuerbaren Energien, Effizienz und einer klimafreundlichen Verkehrspolitik. Bis 2050 könnte Deutschland doch tatsächlich 80 bis 95 Prozent Treibhausgase vermindern.
Kleines Problem: Jeden Tag werden in Deutschland weiter Straßen und Kohlekraftwerke gebaut und große Dienstwagen steuerlich belohnt. Wie kommt das nur? Sind wir nicht alle für Klimaschutz?

Ja und nein. Was wir im Umfeld von Kopenhagen erleben, ist die Zelebrierung der mitfühlenden Ausredengesellschaft. Klimaschutz? Im Prinzip schon, doch bitte kein Tempolimit. Arme Malediven, aber meine Glühbirne möchte ich behalten. Und der Ökostrom darf nicht mehr kosten. Gemeine Kohle-Chinesen, aber bitte keine Windmühle auf der schönen Schwäbischen Alb.

Klar wird: Wer Klimaschutz will, muss endlich offensiv weiten Teilen der Gesellschaft ihre Ausreden um die Ohren hauen. Aber wie? Was muss sich kulturell und emotional in Deutschland ändern, damit eine leidenschaftliche Klimapolitik möglich ist? Damit eine wirklich ehrgeizige Regierung überhaupt überleben könnte?
Ich behaupte: Wir brauchen nichts weniger als eine kulturelle und emotionale Revolution. Besonders im Verkehrsbereich, wo wir die heitersten Totalblockaden erleben. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dem ADAC und der BILD vor der Wahl versprochen, mit ihr gebe es keine strengen CO2-Grenzwerte für Autos, kein Tempolimit, keine Pkw-Maut. Richtig! Unglaubwürdigkeit im Klimaschutz hat noch niemandem ­geschadet, wenn es um Brumm-Brumm geht. Im Gegenteil: Der Brumm-Brumm-Mainstream hat das immer honoriert. Da hilft kein Jammern. Da heißt es, genau diesen Mainstream endlich mit frischen Ideen aufzumischen. Hier drei Kampagnen von meiner Seite: Erstens, der VCD und die Umweltverbände verabschieden das ­gesellschaftliche Tempolimit. Was brauchen wir die Regierung? Wir zeigen zu Hundertausenden mit ordentlichen schwarz-rot-goldenen 120-Aufklebern am Heck, dass wir Spitze 120 km/h fahren. Das wäre ein selbstbewusstes Zeichen an die Klimabremser von hinten. Mal sehen, wie viele mitmachen. Mal sehen, ob die Politik gegen ein frei­williges Tempolimit wäre. Mal sehen, ob sich BILD provoziert ­fühlte.

Zweitens: kein Auto über 110 Gramm CO2 pro Kilometer beim Neuwagenkauf. Eine Riesenkampagne. Das wahre Klimaschutzdeutschland braucht keine EU-Verordnung. Wir ­setzen einen gesellschaftlichen Standard. Wer wie Politiker meint, auf lächerliche Spritschlucker angewiesen zu sein, ist uncool und wird ausgelacht. Kein Auto über 110. Im nächsten Jahr wird die Latte dann auf 100 Gramm CO2 runtergehängt.

Und drittens: Die wahren Klimafreunde lieben und erobern die Autobahn. Autobahnen sind ein wichtiger Emotionsfaktor in Deutschland. Deshalb wollen wir sie zur Energieautobahn ausbauen und mit erneuerbaren Energie verhei­raten. Hermann Scheer von Eurosolar, der Europäischen Vereinigung für Erneuerbare Energien, hat diese Idee berechnen lassen und als konkretes Konzept vorgestellt. Heraus­gekommen ist als Leucht­turmprojekt eine beeindruckende Energieallee an der A7 von Nord nach Süd mit mehr als 1200 Windmühlen.

Soll heißen: Klimafreunde können auch groß denken. Und visionär: Später nämlich fließt die Autobahnenergie direkt in unsere Elektroautos. Ist jemand gegen dieses nationale Großprojekt? Das können nur kleinkarierte Arbeitsplatzvernichter sein. Von den Energie- und Autokonzernen lernen, heißt siegen lernen.

Martin Unfried

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