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27.05.2012 | Sonntag | Ökosex

Uncooler als Sandalen mit Strümpfen

Stromsparen: Warum selbst Stromsparexperten an der fehlenden Attraktivität verzweifeln

 

Schöne sommerliche Reise nach München letzte Woche. An der Bahnstrecke im Fränkischen glänzten einige Photovoltaikparks weiß-blau in der Sonne. Bayern ist sogar Solarweltmeister mit einer rasanten installierten Leistung. Wirklich eine dufte Gegend. Ich saß sogar im ICE direkt hinter dem Chauffeur, obwohl ich nicht Geburtstag hatte. Das war wirklich spektakulär. Ich überlege schon, ob ich umschule. Im ICE Cockpit könnte ich jeden Tag die Vermehrung der blauen Dächer und Scheunen genießen.

Stromsparberater scheint mir dagegen ein harter Job. Stromsparen im Haushalt war das Thema des Abends bei der Umweltakademie. Wie, womit, wie viel? Der Münchner Stromsparexperte Norbert Endres zeigte das ganze Programm: von Stand-by über die alten Gefriertruhen bis zu den Sparleuchten. Ich frage mich dann immer: ist das nicht alles längst bekannt? Gibt es wirklich noch jemand, der keine Steckerleiste hat? Ja, anscheinend schon. Der Trend im Privathaushalt geht ja sogar zum Mehrverbrauch, was mich nicht wundert.

Schwer im Kommen ist beispielsweise der noch breitere, noch flachere Flachfernseher. Ich kann gar nicht so schnell gucken, wie meine Bekannten ihren Technikpark erweitern. Oder all die neuen Router, die wiederum 24 Stunden durchlaufen und ihnen die Haare vom Kopf fressen. So sieht die private Energiewende aus. Viele Leute wissen tatsächlich immer noch nicht, dass ihre alte Heizungspumpe viel mehr verbrät als alle Lampen zusammen. Deshalb sind die Stromsparberater immer noch so wichtig.

Die haben allerdings ein kleines Problem: Stromsparen bedeutet zwar intelligente Technik halbwegs intelligent anwenden, fühlt sich allerdings für viele anders an. In München verriet mir der Experte, dass Sachen wie Plusenergiehaus, Photovoltaik oder Heizungsanlagen-Tuning besser ankommen. Wesentlich spannender. Beim Stromsparen ist zwar mit wenig Aufwand viel zu holen, aber darum geht es nicht. Auch wenn das Leben schrecklich teuer ist, den Strom werfen die Meisten immer noch lachend zum Fenster raus. Die Psyche ist unergründlich. Meine Theorie: Stromsparen hat ein ähnliches Image wie Darmkrebsvorsorge. Oder Sandalen mit Strümpfen. Zischt irgendwie nicht.

Beispiel: Ein Freund von mir verbraucht bisher 6000 kWh im Vierpersonenhaushalt. Das ist schon heftig viel. Bisher hat ihn Sparen nicht wirklich interessiert, Sparlampen eher abgeschreckt. Jetzt wurde er aber vom Gedanken an einen „Smartmeter“, einen intelligenten Stromzähler angefixt. Typisch iPhone-Generation. Den hat er sich trotz Zusatzkosten bestellt. Er will nämlich die Verbräuche online unterwegs auf Handy, Laptop oder iPad beobachten. Dann kann er sich schöne Kurventabellen der Monatsverbräuche ausdrucken. Typisch Ingenieur. Ich glaube sogar, das könnte klappen. Endlich zeigt er Emotionen. Deshalb habe ich ihm auch von meinen Modulen vorgeschwärmt. Jetzt will er sogar in die Stromproduktion einsteigen.

Das ist nun meine altbekannte Antwort auf das Stromsparfiasko. Mit Eigenstrom verbinden. Wer Strom selber macht, nutzt ihn hoffentlich sorgfältiger. Als ich in München für die Eigenstromproduktion warb, kam natürlich gleich wieder das Gegenargument „Mietwohnung“. Nein, das ist nicht mehr stichhaltig, da es ja bekanntlich genügend Energiegenossenschaften und Bürgerkraftwerke gibt. Jeder Mieter kann da seinen Strom mit bescheidenen Beiträgen selber machen. Zwar nicht auf dem eigenen Dach, aber zum Sparen kann das dennoch motivieren. Das Ziel: nur so viel Strom verbrauchen, wie man selbst produziert. Das ist doch anders als besockte Sandalen.

 

MARTIN UNFRIED ÜBER ÖKOSEX

*) Die Grafik wird wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung von: Miro Poferl und Utopia

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