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Heft 02/2008 PDF-Version dieses Artikels
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"Kulturkampf now!"

 

Ich habe seit der letzten Kolumne noch viel nachgedacht über das Verhältnis von Gefühlen und mobiler Kultur. Da sieht es nach wie vor trübe aus in Deutschland. Der Mainstream und leider auch viele gesellschaftliche Leitfiguren denken immer noch vor allem an „Brummbrumm“, wenn sie das Wort Verkehr hören. Auch im Jahre 01 nach Al Gore hat sich das nicht wirklich geändert. Aber nur rumheulen hilft auch nix. Ich hab mal Verkehrsexperten der Umweltverbände angerufen. Ja, natürlich sehen die das emotionale Problem. Die emotionale Hegemonie der Brummbrumm-Fraktion. Die Wirkung des Brainwashings der Werbemilliarden. Ja, natürlich brauchen wir noch bessere und größere Kampagnen. Ja, natürlich brauchen wir Promis, die für das Gegenteil von Brummbrumm werben. Ja, natürlich brauchen wir eine professionelle, lustvolle Brummbrumm-ist-doof-Kommunikationsstrategie. Aber nein, wir haben weder das Geld noch die Zeit, das zu machen. Wer soll das bezahlen? Und die Profis bei den Umweltverbänden sagten mir auch, dass es leider keine Promis gäbe, die in Deutschland ihr Gesicht für Klimaschutz und gegen Spritschleudern in eine Kamera halten. Oh, dachte ich, das ist schade. Alle Umweltverbände in Deutschland mit ihren Millionen Mitgliedern können keinen echten Kulturkampf führen? Deshalb hier und heute ein bescheidenes Aktionsprogramm. Wie wir den emotionalen, gesellschaftlichen Klimawandel im Verkehrsbereich anschieben können. Aktionspunkt 1: Aufbau einer professionellen „Agentur für Kultur, Gefühle und Verkehr“. Dazu brauchen wir ein paar Millionen von einer Stiftung oder sonst einem tollen Sponsor. Die Agentur beginnt mit ganz preiswerten Aktionen. Erst eine Pressekampagne gegen das ZDF: „Spritschleudern raus aus »Wetten dass?«!“. Das ZDF wird unter öffentlichem Druck seine öffentlich-rechtliche Werbung am Samstagabend für CO2-Monster einstellen. Dann wird im Anschluss Thomas Gottschalk von der Agentur für zwei Millionen Euro eingekauft als Werbeträger. Er ist das Gesicht der Kampagne „Kein Auto über 120“. Damit ist die simple Botschaft verknüpft, dass ein Gummibärenliebhaber heutzutage natürlich nicht schneller als 120 km/h fährt, sowie kein neues Auto kauft mit mehr als 120 g/km CO2. Diese Kampagne wird dann statt des CO2-Schleudernherstellers Audi der künftige Partner von „Wetten dass?“. Tommi findet kein Auto über 120 toll, das sagt er jedenfalls vor einem Millionenpublikum. Aktionspunkt 2 kostet dann schon ein bisschen mehr. Für weitere Millionen werden Schumi und Heidi Klum für die Kampagne verpflichtet. Heidi Klum wird von Volkswagen abgeworben. Es folgen Fernsehspots: „Kein Auto über 120. Weniger Brumm ist Klum“. Millionen Aufkleber zieren Autohintern: „120 ist Klum! Brumm, brumm!“. Aktion 3: Fußball-EM. Der DFB wird bearbeitet und denkt an sein Image. Er verabschiedet sich von seinem Hauptsponsor Mercedes. Dafür übernehmen die Fußballer nicht nur die Bierwerbung, sondern mit der Mannschaft auch noch den Song „Hundert und zwanzig, da lacht der Fußballmillionär!“, geschrieben von den Sportfreunden Stiller. Die EM wird so ein Erfolg, dass aus der Industrie mehr Gelder in die Agentur für Gefühle, Kultur und Verkehr fließen. Dann kann Aktion 4 folgen: der Aufbau der Kette „Emotion Mobil World“. Megazentren der nachhaltigen Mobilität in Berlin, Stuttgart, München, Köln und Hamburg. Da enstehen grandiose architektonische Bauten in Plusenergiebauweise, gesponsert von fortschrittlichen Unternehmen. Voll mit Showrooms faszinierender „low energy mobility“. Mit Dinosaurierabteilung und entsprechender Verarsche von Vans, GTIs und Offroadern. Ein faszinierendes Erlebnis für die ganze Familie. Das ist die Kampfansage an die Propagandazentren der Autoindustrie in Stuttgart, München und Wolfsburg. Warum sollen nur die Autokonzerne ihre emotionalen Abholzentren haben? Zeitgemäße Klimaschutzmobilität braucht eben auch eine Art Disneyworld. Ist das eigentlich alles unrealistisch? Nein, nur zu Ende gedacht. Der Mobilitäts-Kulturkampf kann nur gewonnen werden, wenn wir von der Gegenseite lernen. Also klotzen statt kleckern im Kampf um die Herzen.

Martin Unfried