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Klimabilanz der taz

08.05.2013 | Debattenbeitrag

Vom Emissionshandel zum Heizungsverbot

Der Traum vom Markt ist geplatzt: Politik und Gesellschaft müssen in Sachen Klimaschutz anspruchsvolles Ordnungsrecht diskutieren

 

Als die Glühlampe durch eine EU Verordnung schrittweise vom Markt genommen wurde, bebte in Deutschland das Feuilleton: Freiheitsberaubung, eurokratische Ökodiktatur, Quecksilberidiotie. Das war eine Katastrophe für das Image der EU Energie-Effizienz Politik und schade, denn gerade das Glühlampenverbot ist eine Erfolgsgeschichte. Nicht die steigenden Strompreise, also Marktsignale, konnten die neue LED-Technologie in den Markt katapultieren, sondern Ordnungsrecht. Bei steigender Nachfrage und sinkenden Preisen sparen Haushalte und Unternehmen in Zukunft viel Geld und Strom.

Deshalb braucht es mehr Ordnungsrecht, auch wenn dieses nicht gerade populär ist. Die dänische Regierung geht hier als Ausnahme mutig voran. Die wird schrittweise konventionelle, fossile Öl- und Erdgasheizungen aus dem Markt nehmen, also schlicht verbieten. Heute gilt das bereits für den Neubau, in wenigen Jahren auch für die Altbausanierung. Dieser Schritt, der in Deutschland kaum kommuniziert wurde, ist eine Energiewende-Sensation. Der unverschämte Gedanke dahinter ist, dass man Klimaschutz - wie den Brand- oder Denkmalschutz – in diesem Fall nicht der Entscheidung des Hausbesitzers überlässt. Da drängt sich natürlich sofort die Frage auf, warum das im Mutterland der Energiewende anders sein soll. Warum soll die deutsche Regierung nicht auch Heizungen verbieten können? Und energiefressende Kühlanlagen? Und den Neubau von Braunkohlekraftwerken?


„Ökodiktatur!“ werden FDP und FAZ bereits angesichts der Frage schreien. Doch Mieter leiden bekanntlich erheblich mehr unter gestiegenen Öl- und Gaskosten als unter den Strompreisen. Dass Altmaier zwar von Strompreis-, aber nicht von einer Heizölkostenbremse spricht, hat lediglich mit Wahlkampf zu tun und verweist auf die alberne Stromfixiertheit von Politik und Medien, nicht aber auf die wirklichen Herausforderungen von umfassendem Klimaschutz. Energiewende ist dafür nämlich nur ein anderes Wort, was in Deutschland viele im Angesicht des Atomaustiegs vergessen haben. Es wird viele überraschen: das dänische Heizungsverbot ist energiepolitisch nicht weniger spektakulär.


Die dänischen Pioniere kommen nämlich mit ihrem Signal genau zur rechten Zeit. Der Traum vom Emissionsmarkt und den deutlichen Preissignalen ist für die nächsten Jahre ausgeträumt. Selbst wenn es in der EU unerwarteter Weise doch noch zu einem „Backloading“ – also einem vorübergehenden aus dem Markt nehmen – von Verschmutzungsrechten kommen wird, muss heute als naiv gelten, wer tatsächlich meint, allein die Preissignale des Emissionshandels verhinderten den Bau von viel zu vielen Kohlekraftwerken. Schlimmer ist, dass die fehlenden Preissignale bereits dazu geführt haben, dass sogar in relativ klimaschutzfreundlichen Ländern wie Deutschland und den Niederlanden in den letzten kritischen Jahren zu viele neue Kohlekraftwerke gebaut wurden. Nun drückt billiger Kohlestrom die Strompreise, blockiert die Netze und gefährdet Investitionen in Erneuerbare und Effizienz.


Womit bekanntlich auch die Energiewende in Deutschland zu kämpfen hat, weil der positive Einfluss der Erneuerbaren und das massive Kohlestromangebot zu sinkenden Preisen an der Strombörse führen. Auch hier scheint bis heute der unerschütterliche Glaube an den Markt zu herrschen: das Zauberwort heißt „Marktintegration“ der Erneuerbaren. Das ist ein bisschen aberwitzig, da sich heute an diesem Markt angesichts der derzeitigen Preisbildung weder neue Erneuerbare, noch neue Gas- oder Kohlekraftwerke refinanzieren lassen. Dies spricht gerade nicht für Marktintegration, sondern gegen das bisherige Marktdesign und die Überfrachtung der EEG-Umlage mit Ausnahmen etc. Die ordnungspolitische Umgestaltung des Strommarktes gehört damit zu den wichtigsten Aufgaben der Stromwende, was allerdings wenig mit dem oberflächlichen Mantra der „Marktintegration“ zu tun hat.

Angesichts der eher bescheidenen Anreize von bisherigen Preissignalen, sollten deshalb von einem Bundesumweltminister insbesondere Vorschläge für intelligentes Ordnungsrecht erwartet werden. Der jetzige Minister hat sich hier bisher eher zurückgehalten, der Wirtschaftsminister ordnungsrechtliche Ansätze der EU im Effizienzbereich bekämpft. Dabei bedarf es der deutlichen Ansage, wann und wie beispielsweise der Neubau oder Betrieb von ineffizienten Braun- und Steinkohlekraftwerken verboten wird. Und wie die Regierung ordnungsrechtlich den Ausstieg aus der fossilen Wärme im Gebäudebereich einleiten wird. Im Vergleich zum Strom hat hier nämlich die Energiewende noch kaum begonnen. Die energetische Sanierung von Häusern kommt sogar trotz hoher Gas- und Ölpreise nicht schnell genug voran. Das Mieter-Vermieter-Dilemma und anderes beschränken hier bisher den Markt- und Preisanreiz, weshalb strengere Sanierungsvorschriften und ähnliches auf der Hand liegen. Auch die deutschen Autofahrer haben sich bisher trotz steigender Spritpreise nicht wirklich von den Spritschluckern, sprich von der eigenen Geldvernichtung, verabschiedet. Warum soll die Zeit nicht reif sein für Tempolimits und strengere Ansprüche an Motoren? Wie verträgt sich dies mit der industriepolitischen Fixiertheit auf die Autoindustrie? Und wie schafft eine Regierung dafür gesellschaftliche Akzeptanz? Diese politischen Aufgaben werden wesentlich schwieriger als der Bau einiger Stromleitungen.


Auch im Bereich der Verkehrs- und Stadtplanung braucht es unbedingt neue ordnungsrechtliche Vorgaben und entsprechende gesellschaftliche Unterstützung. Das könnte beispielsweise ein Ende der teuren Parkraumpflichten (Parkplatzdiktatur!) bedeuten. Und auch die fahrradgerechte Stadt braucht vor allem neue Bauvorschriften. Wie wäre es mit einer gesetzlich vorgeschriebenen Aufteilung des städtischen Straßenraumes zwischen Auto und Fahrrad? Beispielsweise fifty-fifty. Ordnungsrecht muss nämlich nicht immer langweilig sein. Und das Rauchverbot hat gezeigt, dass manchmal mehr geht als man denkt. Der Emissionshandel ist tot. Lang lebe das Heizungsverbot.

MARTIN UNFRIED