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10.12.2013 | Dienstag | Debattenbeitrag | Kommentar
Debatte KLIMAGIPFEL:
Teil 1: BERNHARD PÖTTER (taz.de) | Teil 2: MARTIN UNFRIED (taz.de)
KLIMAGIPFEL (2) Wer Beschränktheit und negative Effekte der UN- Klimaschutzverhandlungen anerkennt, kann über Alternativen sprechen
Ein "Scheitern" ist im Kontext der UN eine Frage der Perspektive und der Interessen. Deshalb scheitern die Verhandlungen im Grunde auch nicht. Die Erwartung eines großen Durchbruchs ist, wie Bernhard Poetter beschrieben hat, tatsächlich ein "Missverständnis" (taz vom 9. 12.) Es lohnt sich, genauer zu analysieren, warum die Spielräume so beschränkt sind und was Alternativen zu Postkioto sein könnten.
Für alle, die keine Beschleunigung im Klimaschutz wollen, sind die Absprachen ein Erfolg. Im Konsens wurden zwar globale Ziele beschlossen (2-Grad-Marke), allerdings diese in unzureichende nationale Reduktionsziele übersetzt (Kioto und Postkioto) und mit wenig effektiven Instrumenten ausgestattet (Emissionshandel, Klimafonds, Waldprogramme). In der Organisationsforschung gibt es den Begriff des "erfolgreichen Scheiterns": Die Ineffektivität der Verhandlungen ist keineswegs eine Abweichung, sondern in der Organisationsform selbst angelegt. Deshalb hat es keinen Sinn, den großen Ruck zu beschwören.
Erfolgreiches Scheitern
Wer das anerkennt und mehr Klimaschutz will, muss sich nach Alternativen umsehen. Der verstorbene Visionär der deutschen Energiepolitik, Hermann Scheer, stellte bereits vor 15 Jahren fest, dass die Bedingungen für erfolgreiches Verhandeln auf UN-Ebene nicht gegeben seien, und setzte auf den radikalen, nationalen Ausbau erneuerbarer Energien. Es gehe hauptsächlich um den Durchbruch von Techniken, die im weltweiten Maßstab Verbreitung finden. Keine derartige technologische Revolution sei bisher im Konsens durch einen internationalen Vertrag zustande gekommen, weil es nämlich erneuerbare Gewinner und fossile Verlierer geben muss, sprich Staaten oder Industriezweige, so Scheer.
Das Problem: Bei Klimaverhandlungen gilt das Konsensprinzip, wobei eben diese potenziellen Verlierer ein Veto genießen und echte Beschleunigung jederzeit ausbremsen können. So als ob man vor 30 Jahren mit Schreibmaschinenherstellern über den Übergang zum PC verhandelt hätte.
Natürlich verlieren die UN-Verhandlungen durch die Anerkennung ihrer Begrenztheit nicht völlig an Bedeutung. Die Medienöffentlichkeit hält das Thema am Leben. Es entstehen Grundzüge einer internationalen Verrechtlichung, mitsamt den politischen und administrativen Kapazitäten. Wie aber stimuliert man echte Beschleunigung? Harald Welzer und Postwachstumspapst Nico Paech werden nicht müde, auf die regionale Nichtwachstumsökonomie zu verweisen. Kann man machen, ist aber keine wirkliche politische Strategie.
Argumente gegen das EEG
Interessanterweise führt diese Haltung bei Paech dazu, den raschen Ausbau der Erneuerbaren sehr kritisch zu sehen und offen gegen das EEG zu argumentieren. Das mag für den Wachstumsgegner schlüssig sein, im Sinne des globalen Klimaschutzes ist es wenig hilfreich.
Woher kamen nämlich bisher die positiven Entwicklungen? Die Chinesen haben natürlich nicht wegen Kioto plötzlich so ambitionierte Pläne in Sachen Photovoltaik und Windräder, auch nicht wegen ihrer Liebe zu weniger Wachstum. Die Technologien haben schneller als erwartet den Durchbruch geschafft und sind jetzt industriepolitisch interessant. Das heißt, wer Klimaschutz beschleunigen will, muss sich wieder im Sinne Hermann Scheers auf die Bedingungen dieser technologischen Revolution besinnen. Deshalb sind Anreize zum nationalen Ausbau erneuerbarer Energien und eine größere Rolle der internationalen Erneuerbaren-Organisation Irena wesentlich wichtiger als die bescheidenen Reduktionsversprechen eines künftigen Abkommens. Der technologische Durchbruch kam ja erstaunlicherweise trotz und nicht wegen Kioto. Und zwar durch nationale Alleingänge und keinesfalls durch internationale Absprachen.
So hat Deutschland mit seinem Gesetz für die Erneuerbaren mehr für den künftigen Klimaschutz getan als alle internationalen Konferenzen zusammen. Und zwar entgegen der Kioto-Kosten-Philosophie. Der größte negative Effekt war nämlich bislang die globale Erzählung vom Klimaschutz als "Zusatzkostenfaktor".
Bedrohung für fossile Konzerne
Mit den Instrumenten Clean Development Mechanism und Joint Implementation wurde diese Erzählung instrumentell übersetzt. Da gilt bis heute die irrige Überzeugung, eine vermiedene Tonne CO2 durch Optimierung eines Kohlekraftwerkes in Indien sei viel billiger und so viel wert wie neue Photovoltaik in Deutschland. Hätten Dänemark, Deutschland, Spanien und andere Pioniere an diesen Mumpitz geglaubt, wären die Erneuerbaren weiter Spielzeug, aber keine echte Bedrohung für fossile Konzerne.
Viele europäische Ökonomen haben das bis heute nicht verstanden und träumen weiter vom funktionierenden weltweiten Emissionshandel. Der wird allerdings wegen der Konsensproblematik nicht kommen; außerdem folgt er eben jener falschen Kostenphilosophie. Deshalb geht es in Zukunft auch um die Vermeidung negativer Effekte. Die Niederlande sind hierfür ein gutes Beispiel: Die niederländische Regierung hat jahrelang Zertifikate unter CDM in Lateinamerika, Afrika und Asien und unter Joint Implementation in Osteuropa gekauft, um die eigenen Kioto-Ziele zu erreichen. Dagegen ist bis heute der heimische Klimaschutz viel schlechter als EU-Durchschnitt. Und obwohl der Ausbau Erneuerbarer seit Jahren stockt und Kohle boomt, ist dies wegen der "Zukäufe" rechtlich und politisch für Den Haag kein Problem. Das war und ist eine Kioto-Hängematte.
Wer Klimaschutz beschleunigen will, muss künftig alles vermeiden, was den schnellen nationalen Durchbruch Erneuerbarer bremst. Das ist vor allem auch eine Abkehr vom jetzigen Design von Instrumenten wie CDM und JI. Daneben geht es eher um Absprachen außerhalb der Klimaverhandlungen: den weltweiten Abbau von schädlichen Subventionen für fossile Energien im Rahmen der WTO; weltweite Abgaben für Treibhausgase jenseits des Emissionshandels; und ein Abkommen zur mittelfristigen Beschränkung des Neubaus von Kohlekraftwerken.
MARTIN UNFRIED
ist Dozent am Europäischen Institut für Öffentliche Verwaltung in Maastricht. Schwerpunkt: Umwelt- und Klimapolitik. In der taz schrieb er jahrelang die Kolumne „Ökosex“, für die er 2007 den Deutschen Solarpreis erhielt. .
Debatte KLIMAGIPFEL:
Teil 1: BERNHARD PÖTTER (taz.de) | Teil 2: MARTIN UNFRIED (taz.de)
10.12.2013 | Dienstag | taz Nr. 10282 | Seite 12 | 180 Zeilen | Meinung und Diskussion | taz-Debatte | KOMMENTAR VON MARTIN UNFRIED | Sonne und Wind trotz Kioto | KLIMAGIPFEL (2) Wer Beschränktheit und negative Effekte der UN- Klimaschutzverhandlungen anerkennt, kann über Alternativen sprechen
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