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Heft 03/2010 | PDF-Version dieses Artikels |
"Dafür oder dagegen?" | ||
Lieber Sonne oder besser Pflanzen in den Tank? Keine Einigkeit bei den Ökos. |
Noch kurz was zur Überdachung von Radwegen. Viele haben mich gefragt, wie es mit meinem „Panorama Bikeway“ in Berlin weitergehe. Wie in der letzten Kolumne berichtet, bin ich ein Lobbyist überdachter Radhochbahnen. Hier der Stand der Dinge: Ich habe bereits mit Abgeordneten korrespondiert, mit Künstlern fantasiert und mit Architekten skizziert. Was genau, werde ich natürlich nicht herausposaunen, denn Verschwiegenheit ist beim politischen Lobbying das Wichtigste. Ganz sicher ist, dass ich ein Referat im Bundesverkehrsministerium zugeteilt bekomme. So wird ein Vetter von mir erst mal ein „Radwegehochbahnüberdachungsgesetz“ ausarbeiten. Dabei greife ich auf eine bewährte deutsche Lobbypraxis zurück: Gesetze und Subventionen einfach selber entwerfen. Das war im Fall der Autokonzerne immer sehr zielführend, beispielsweise wenn wir an die Abwrackprämie denken. Warum soll das bei mir nicht ebenso klappen?
Natürlich liebe ich Radfahrer, die mir „Quatsch“ zurufen. Es regne doch gar nicht so oft in Deutschland, ob ich einen Dachschaden hätte. Ich schätze nämlich den leidenschaftlichen Streit um die besten Ideen. Heute geht es also um Dissens unter Ökos. Wir alten Ökostiefel sind nämlich nicht mehr ganz so einstimmig, wie das früher mal war. „Alle gegen Atom!“ Das war noch schön einfach. Aber „Solaranlagen auf Ackerflächen?“ Uiihhh, da wird es schon schwieriger. Beim Verkehr dasselbe: „Autos und fossiler Sprit sind so richtig scheiße und ÖPNV ist super!“ Da nickt der ganze Saal. Aber bist du für oder gegen Sprit vom Acker und für oder gegen Elektrokisten?
Wie jeder weiß, fahre ich ein sparsames 3-Liter-Auto mit Pflanzenöl aus kaltgepresstem heimischen Anbau. Immer wenn ich damit angebe, gucken mich die Biotreibstoffgegner ganz streng an und würden mir gern eine Tortilla an den Kopf werfen. Da keine Tortilla zur Hand, werfen sie mir vor, dass dieses Gebäck in Mexiko meinetwegen so teuer sei und der Regenwald in Indonesien abgeholzt werde. Biotreibstoffgegner können sehr emotional werden. Ich entgegne dann sehr sachlich, dass der heimische Rapsanbau selbstverständlich Nachteile mit sich bringe. Das mit den Mexikanern sei allerdings Bullshit. Bin ich gut gelaunt, füge ich hinzu, dass wegen ihres Diesel-Stadtbusses nach Öl gebohrt werde. Das sei schlimm. Und leider sei unser aller ICE immer noch mit Kohle und Atomstrom unterwegs. Also, nix als Widersprüche! Komplexität!
Hundertprozentig Überzeugte tun sich damit oft nicht leicht. Hilft aber nix, denn das nächste umstrittene Öko-Thema steht bald im Autohaus. Wie sinnvoll sind eigentlich Elektroautos? Und noch schlimmer: Subventionen für deren Markteinführung? Einige Umweltverbände haben neulich gemeinsam verkündet, das sei Mumpitz. Bei den Verbrennungsmotoren sei wirklich was zu holen, also sollten finanzielle Anreize technikneutral an die Kunden gehen. Heißt: Geld vom Staat vor allem auch für die sparsame Verbrennung fossiler Brennstoffe.
Liebe Verbände, da ist was dran. Und morgens nach dem Aufstehen bin ich ganz kurz eurer Meinung. Mittags allerdings tendiere ich zum Gegenteil und bin für die schnelle Elektrifizierung: Ich muss nämlich bald meine Rapsölschüssel ersetzen, wegen dieser ständigen Anfeindungen. Und auf dem Acker (!) könnte mein Landwirt Alfons mit Photovoltaik viel mehr Elektro-Kilometer anbauen als mit Raps. Soll ich da Staatsknete für einen sparsamen Benziner nehmen, der mich Jahre zurückwirft? Nicht geschenkt. Da ist mir reichlich Kohle für eine solare Elektro-Offenbarung natürlich lieber. Aber Spaß beiseite, und Dissens eröffnet. Die Verbände scheinen mir wie so oft auf dem kulturellen Auge blind zu sein. Elektrifizierung ist eben nicht nur eine technische Option, wo in CO2 abgerechnet wird. Sie wird vor allem auch gesellschaftlich neue Autogefühle und neue Vibrations etablieren. Und die brauchen wir für ein schnelles Ende des Brumm-Brumm-Zeitalters. Kleiner Meinungsstreit gefällig?
Martin Unfried
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