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18.12.2011 | Sonntag | Ökosex

Strahlung satt: das war Zweitausendelf!

Von Fukushima nach Stuttgart: Warum ich für das Amt des Bundespräsidenten kandidiere

 

Letztes Mal hatte ich zerknirscht beschrieben, wie meine Teenager-Tochter Durban und den internationalen Klimazirkus kritisch sieht, mit Blick auf ihre noch zu erwartende, lange und strahlende Zukunft. Nicht, dass hier Missverständnisse entstehen: wir sind ganz und gar nicht fatalistisch oder resigniert hier in Maastricht, im Herzen Europas. Im Reihenhaus Unfried wird nicht rumgeheult, sondern fröhlich in die Hände gespuckt und kräftig in das nachhaltige Bruttoglücksprodukt investiert. Nur eben sind die Erwartungen an die Politik bescheiden, an die eigene Nase allerdings gewaltig. Heute wird dementsprechend abgerechnet: der Ökosex-Jahresrückblick.

Eigentlich war 2011 ein duftes Ökosex Jahr. Ich habe beispielsweise im Frühjahr eine große Anti-AKW Demo in Stuttgart moderiert: mit Menschenkette, Franz Alt (-Öko) und allem Pipapo und zack, schon hatte die Regierung eingesehen, dass die Atomenergie keine Verlängerung verdient hat. Kleiner Spaß. Der Atomausstieg ist natürlich das Bitterste und zugleich Erfreulichste am Jahr 2011. Bitter, dass meine Argumente und die Argumente von Millionen Atomkraftgegnern diese Regierung nicht schon eher überzeugt hatten.

Es musste erst ein Atomkraftwerk in die Luft fliegen, die Katastrophe eintreten, um die Katharsis einzuleiten. Immerhin hat es in Deutschland geschnaggelt. Bei mir in den Niederlanden oder in Großbritannien hat nicht mal Fukushima weitere Atompläne verhindert. Das hat schon damit zu tun, dass in Deutschland die gesellschaftliche Stimmung seit Jahren so deutlich gegen Atom gerichtet war. Angela Merkel hat wahrscheinlich nicht wirklich begriffen, dass Atomkraftwerke physikalisch nicht zu bändigen sind. Sie hat aber gemerkt, dass Atompolitik in Zukunft Wahlen entscheiden könnte. Und das macht für die Politikerin den Unterschied.

So war 2011 in diesem Sinne Ökosex: gesellschaftliches Engagement ist zwar zäh und unerfreulich wie in Gorleben, am Ende hat aber genau dieses zähe Engagement doch die deutsche Energiepolitik bestimmt. In Baden-Württemberg hat es das Undenkbare möglich gemacht. Da kam ein Ökodiktator an die Macht. Und dieser verkündet im Autoländle, dass der automobile Wachstumskaiser nackt ist: weniger Autos produzieren, könne in Zukunft mehr Zukunft bedeuten! Whow. Das war bisher ungehört. So was hätte ich gerne vom Bundespräsidenten gehört. Da sind wir auch schon beim Ökosex-Problem von Christian Wulff.

Was niemand in der Presse wirklich thematisiert hat: das Problematische an diesem Kredit war ja nicht, dass sein Einfamilienhaus so bieder aussieht wie mein Rollkragenpulli. Nein, das echte Problem ist, dass der Bundespräsident die 500 000 Euro eben nicht geliehen hat, um aus einer Energieschleuder ein solares Energie-Plus-Haus zu machen. Genau hier aber liegt das echte intellektuelle Vakuum und Konsumproblem der politischen Eliten. Weshalb ich bei Gelegenheit für das höchste Staatsamt kandidiere. Schon wegen der Ansprache am Ende des Jahres. Da würde ich die Hosen runterlassen und sagen:

Liebe Leute, wir haben im Jahr 2011 mit zwei Großen und zwei nicht mehr so Kleinen im mittleren Reihenhaus 805m³ Gas verbraucht für Heizung und Warmwasser. Das war erheblich weniger als 2010, wahrscheinlich wegen Witterung und besser eingestellter Solarheizung. 805m³ Gas sind übrigens 8050 kWh Energie. Rechnen wir mal 10% Warmwasser ab, dann bleiben rund 7500kWh für Heizung. Bei 120 m² macht das 62 kWh pro m² Wohnfläche. Nein, ein Altbau aus dem Jahre 1958 ist kein Passivhaus, aber ich habe Bekannte in nagelneuen schwäbischen Neubauten mit extra Pissoir im Gästeklo, die nicht weniger heizen müssen. Überhaupt haben wir zum ersten Mal das ganz Jahr einen Vertrag mit 100% Biogas. Das heißt, keine fossilen Brennstoffe mehr im Haus.

Liebe Freunde der solaren Effizienzrevolution, mein Stromverbrauch stieg auf 1800 kWh. Ich nehme an, das hat insbesondere mit der heftigen, elektronischen Beschäftigung der Teenager zu tun. Es liegt nicht an meiner E-Gitarre, wie einige politische Gegner behaupten. Natürlich machen wir allerdings noch viel mehr Strom selbst als wir verbrauchen: 2011 war ein duftes Sonnenjahr, Strahlung satt. Insbesondere wegen des Jahrtausend Novembers. Unsere Familienproduktion lag wieder um die 2000 kWh. Im Klartext liebe Bevölkerung: Wer im Jahr 2012 die Absicht hat, sich ein Iphone, Ipad, Flatscreen, Auto, oder ähnliches zu kaufen, sollte kurz innehalten. Ein PV-Modul ist viel cooler.

MARTIN UNFRIED ÜBER ÖKOSEX

*) Die Grafik wird wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung von: Miro Poferl und Utopia

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