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02.03.2012 | Freitag | Kommentar

 

Solarausstiegsgesetz

Der Regierungsvorschlag erstaunt: nicht nur die Solarbranche soll abgewickelt werden, sondern die Erfolgselemente des EEGs

 

Davon geht die Sonne nicht unter, kommentierte die taz fröhlich am Donnerstag in Sachen PV-Kürzung. Wir hätten ja noch ein paar Jahrzehnte Zeit für die Energiewende. Die Experten von der Zeitschrift Photon werden die März-Ausgabe dagegen etwas anders aufmachen: "Solarfeind Nummer Eins" mit einem Porträt von Norbert Röttgen. Der Bundesumweltminister? Werden sich viele fragen. Ist das nicht der tapfere Freund der Solarindustrie, der sogar im Tausch für eine moderate Kürzung der EEG Zulage gegen Rösler bei der Effizienrichtlinie nachgegeben hat?

Dass gerade die Zeitschrift Photon die neuen EEG Vorschläge der Regierung und die Rolle Röttgens als katastrophal beschreibt, ist bemerkenswert. Photon ist unverdächtig in Sachen Kuscheln mit der Industrie. Chefredakteurin Anne Kreutzmann forderte jahrelang heftige Absenkungen der Vergütung für PV Strom und wurde von der Solarbranche dafür gehasst. Nein, Kritik an diesen Vorschlägen ist eben nicht das normale Jammern einer Lobby. Röttgen hat nicht die PV und das EEG gegen Rösler verteidigt, sondern eine Vorschlag vorgelegt, der nicht nur den Solaraufbau und die daran hängenden Arbeitsplätze in Deutschland gefährden, sondern das EEG insgesamt verändert und die gesamte Energiewende behindern könnte.

Der Reihe nach: die Regierungspläne bedeuten vor allem das Ende der Berechenbarkeit für potentielle Investoren und Anlagenbauer. Interessanterweise ist es gerade die politische Zuverlässigkeit, die internationale Studien immer wieder als deutschen Vorteil betont haben. Deshalb ist bis heute Windenergie und Solarenergie in Deutschland auch günstiger aufzubauen als in vielen anderen Ländern mit anderen Förderinstrumenten. Günstige Kapitalkosten, der Aufbau mittelständiger Unternehmen, das Engagement von Millionen Bürgern: dies war in Deutschland möglich, weil seit mehr als 10 Jahren verschiedene Gewissheiten galten.

Einfach statt komplex: das Recht auf Einspeisen, die vollständige Abnahme des Stroms durch den Netzbetreiber mit einer festen Vergütung für 20 Jahre und eine gesetzlich festgelegte Degression dieser Vergütung durch den Bundestag nach einer breiten Debatte und in überschaubaren Zeiträumen. Die letzten Monate dagegen waren ein Lehrstück politischer Unberechenbarkeit für Wirtschaftsakteure. Geht es nach den Plänen der Regierung, bleibt von den Gewissheiten nur noch das Recht auf Einspeisung übrig und dessen Wert ist schwer gemindert, die Regelungen hoch komplex.

Der Netzbetreiber muss nämlich bei PV nur noch 85% bei kleinen und 90% bei großen Anlagen vergüten. Klingt harmlos und nennt sich Marktintegration, ist aber im Grunde eine weitere Degression der EEG Vergütung und der Ausstieg aus dem Prinzip der festen Vergütung. Tatsächlich könnte hier der Plan aufgehen: die absolut heftige Einmaldegression, plus die monatlich geplanten Absenkungen, plus die Unsicherheit durch den nichtvergüteten Anteil könnten größere PV-Projekte komplett erledigen.

Gut für alle, die eine Vollbremsung beim Solaraufbau und einen Abbau der Arbeitsplätze möchten. Allerdings liegt hier aber auch ein erheblicher Systemwechsel insgesamt. Das heißt, auch die Windenergie kann sich auf ein Ende der garantierten Vergütung des gesamten Stromes einstellen. Fast noch entscheidender für steigende Kapitalkosten und fehlende Planungssicherheit aller Akteure ist die Abkehr von der bisherigen parlamentarischen Debatte über künftige Anpassungen des EEGs.

Im Rösler-/Röttgen-Vorschlag wollen sich diese ermächtigen, ad-hoc nicht nur die Anpassung der Vergütungen, sondern auch die Anpassung eben jener Prozente der Nicht-Vergütung per Verordnung für alle Erneuerbaren regeln zu können. Bisher wurde dies nach breiter Diskussion und in abschätzbaren Zeiträumen vom Bundestag gemacht. Ja, der explosive PV-Aufbau hat schnelle Anpassungen nötig gemacht. Ein Freibrief für die Ministerien freihändig an Vergütung und Vergütungsumfang zu schrauben, ist allerdings der Alptraum jedes Projektplaners. Wie soll ein Businessplan aussehen, der im Worst-case-Scenario mehrere Ad-hoc Absenkungen einplanen soll? Und wie gesagt, das kann in Zukunft nicht nur die Photovoltaik treffen.

Unglaublich ist, was eine CDU/FDP Regierung Wirtschaftsakteuren zumutet: Bisher hatten sich die Planer auf die gesetzlich vorgesehene weitere 15%ige Absenkung der Vergütung für den Juli eingestellt, wohlwissend dass dies vielleicht heftiger ausfallen könnte wegen fallender Modulpreise. Dann spricht die Regierung plötzlich von einer Sonderkürzung im Mai, gefolgt von monatlichen Kürzungen. Nicht besonders einfach nun die Vergütung für den November 2012 zu kalkulieren.

Überfallartig dann die nächste Meldung: die Regierung spricht vom 9. März als Stichtag für das angepasste EEG. Ziemlich deutlich, dass dies zu einer Welle an Stornierungen führen wird. Und dies trifft nicht nur die viel beschworenen chinesischen Modulhersteller, sondern in erster Linie Handwerker, Projektentwickler, Landwirte und Privathaushalte in Deutschland. Sieht man sich den Rösler-/Röttgen-Vorschlag genauer an, ist genau dieser Abbau der Branche jetzt auch offizielles Ziel der Regierung.

Dies zeigt der sogenannte neue Ausbaukorridor. Der sieht für 2012 eine Halbierung der Zahlen von 2011 vor, was bisher bereits galt. Nach 2012 soll es dann jährlich bergabgehen mit dem Zubau. Im Jahr 2017 soll im Vergleich mit heute weniger als 15% installiert werden. Deshalb ist es in keiner Weise polemisch, die Vorschläge als Solarausstiegsgesetz zu bezeichnen. Warum Deutschland gerade dann den Ausbau stoppt, wenn die Module wirklich günstig werden und Spielraum bleibt für Innovationen in Sachen Netzintegration, bleibt dabei ein Rätsel.

Große Parks über 10 Megawatt fallen völlig aus der Förderung, und kleine Megawattparks sind wegen absurder Abstandsverpflichtungen schwierig zu planen. Interessanterweise könnten genau diese am schnellsten Strom zu Preisen produzieren, der laut Photon heute mit Off-shore und bald mit Onshore Wind konkurrieren könnte. Es geht also nicht wirklich um Kosten, sondern um Kommunikation. Jetzt rächt sich der falsche Medientenor der letzten Monate: "PV frisst uns die Haare vom Kopf!". Stimmt zwar nicht, macht die Abwicklung allerdings erst möglich.

 

VON MARTIN UNFRIED

*) Die Grafik wird wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung von: Miro Poferl und Utopia

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