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17.07.2011 | Sonntag | Ökosex

Liebe Atomkraftgegner: Kein Gänsebraten an Weihnachten!

Alle sind gegen Atom – aber warum sind wir nicht professionell mit dem Vermeiden der Stromspitzen beschäftigt?

 

Letzte Woche hörten wir von der Deutschen Energieagentur, dass wir doch noch in den nächsten Jahren ein Atomkraftwerk in “Kaltreserve” bräuchten. Kaltreserve klingt cool. Und meint, dass ein AKW, der acht abgeschalteten alten Schleudern, sozusagen im stand-bye Betrieb vor sich hin summt. Ob das Sinn macht, ist höchst umstritten. Zu langsam zuschaltbar sagen andere Experten, die lieber auf die Reaktivierung alter Kohleschleudern setzen wollen. Sehr unterschiedliche Meinungen also. Beide Ansätze allerdings vereint eines: die Furcht vor den Verbrauchsspitzen im nächsten Winter, die zu einem Blackout führen könnten. Blackout!

In Deutschland, wo es im internationalen Vergleich die wenigsten Stromausfälle gibt, ist das eine Horrorvorstellung. Merke: die verfluchten Verbrauchsspitzen machen uns Sorgen. Wir Hobbystromexperten haben ja in den letzten Monaten einiges dazu gelernt: nicht der durchschnittliche Stromverbrauch in Deutschland ist anscheinend das Problem. Überraschenderweise wurden acht Atomkraftwerke vom Netz genommen - und nix passierte. Glücklicherweise war Frühling und die Sonne scheinte.


Selbst Kritiker der Photovoltaik müssen nämlich jetzt zugeben, dass diese die Verbrauchsspitzen im Mai, Juni und Juli heftig rasierte. Ja, es stimmt: nachts scheint keine Sonne. Dafür umso mehr um die Mittagszeit. Und das ist eben die Primetime beim deutschen Stromverbrauch. Wer mal sehen möchte, was die PV an Leistung bereit stellt, kann auf der Seite www.sma.de vorbeischauen. Das waren in den letzten Tagen um die Mittagszeit häufig 10 Gigawatt Leistung.


Es stimmt allerdings auch, dass an einem regnerischen Dezembertag von der PV wenig zu erwarten ist. Wenn dann noch Windstille herrscht, dann fehlt einiges an Strom im Netz. Leider genau dann, wenn im kalten Deutschland die elektrischen Heizungspumpen auf Hochtouren laufen. Leider brennen an diesen Tagen in Haushalten und Betrieben alle Lampen, weil es auch tagsüber dunkel ist. Leider werden die Wäschetrockner angeworfen, weil draußen die Wäsche nicht trocknet und die Industrie auf Hochtouren produziert, weil ja keine Sommerferien sind. Kraftwerke zusätzlich anfahren, scheint da eine notwendige aber wenig originelle Lösung.

Interessanterweise hat noch niemand von der Regierung das große Spitzenstrom-Bekämpfungs-Programm verkündet. Natürlich könnten Industrie und Privathaushalte einen wichtigen Beitrag liefern, um diesen Blackout zu vermeiden. Große Betriebe könnten durch finanzielle Anreize dazu angehalten werden, zu bestimmten angespannten Zeiten die Produktion ein bisschen zurück zu fahren. Und warum sollten Millionen Atomkraftgegner nicht aktiv ihre Stromverbrauchszeiten verändern? Heute machen das nur die Haushalte mit Nachtstrom. Alle anderen haben überhaupt keine Ahnung, wann es denn vernünftig wäre, die Waschmaschine mal nicht anzuwerfen.


Hier findet Anti-AKW Deutschland ein wichtiges neues Aktionsfeld. Wir müssen ja nicht mehr demonstrieren gehen. Also könnten wir unsere Haushalte zu Anti-Spitzenstrom Haushalten umstellen. Dazu braucht es aber professionelle Information und Kommunikation, die von der Regierung nicht zu erwarten ist. Also müssen das die Umweltverbände machen. In jedem Fall muss beispielsweise die Gänsebraten-Spitze vermieden werden. Am ersten Weihnachtsfeiertag schmeißen 40 Millionen deutsche Haushalte den Elektroherd an. Weihnachten ohne Atom heißt also dieses Jahr, Weihnachten ohne Gans. Und wenn doch, dann eben kalt serviert.

KOLUMNE ÖKOSEX VON MARTIN UNFRIED

*) Die Grafik wird wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung von: Miro Poferl und Utopia

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