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Heft 04/2009 PDF-Version dieses Artikels

 

"Kein Audi über 110 Gramm"

Natürlich geht es heute um Automobile. Ich bin ja ein Autofreak und die neue VCD Auto-Umweltliste ist erschienen. Doch erst ein Auslandsbericht.

Gestern fuhren wir auf der Autobahn von Lüttich nach Maastricht. Was hängt in Belgien und den Niederlanden doch Werbung in Sachen Auto und Kohlendioxid. Riesenposter! Wo es früher nur um Brummbrumm ging, glänzt heute der CO2-Ausstoß ganz prominent auf dem Plakat. Eine grüne 104 g/km CO2. Ich habe schon vor Erscheinen der neuen VCD-Liste gelernt: Der neue Volvo Kombi mit 104 g/km CO2, das ist ein Diesel mit einem Durchschnittsverbrauch von 3,9 Liter. Und das Unglaubliche: Der hat sogar einen Kofferraum. Nicht schlecht, den merk ich mir für die Autoberatung.

Auch der neue Honda-Hybrid ­Insight wird groß beworben mit 101 g/km. Und jenseits der Grenze in den Niederlanden ist er der Star: der neue Prius von Toyota, der noch ein bisschen ­effizienter ist. Der wird in den Niederlanden viel mehr gekauft als in Deutschland. Mein ­Bekannter Hans hat einen bestellt.

Endlich also mehr zeitgemäße Modelle. Zur Erinnerung: „Kein Auto über 120 g/km CO2“ hieß meine Kampagne noch vor einem Jahr. Diese Faustregel ist schon veraltet. Heute gibt es für einen ganz normalen Autokäufer mit einem ganz normalen Interesse an Klimaschutz keinen Grund mehr, ein Auto über 110 g/km CO2 zu kaufen. Warum? Ach, ja. Es wird mit dem Klima wohl schlimmer als angenommen. Das wissen auch meine Bekannten. Allerdings blieben bei vielen doch Vorbehalte gegen klimafreundlichere Autos: die Kinder und der Flötenunterricht! Der Kofferraum! Der Campingurlaub! Das rollende Büro und die langen Beine!

Gute Nacht, Post-Kyoto

Diesen Argumenten ist heute leicht zu begegnen. Selbst für die Familie mit drei Kindern gibt es jetzt geeignete Kombis unter 110 g/km CO2. Und für jeden ganz normalen Politiker, der das Steuergeld nicht zum Auspuff rausblasen möchte, gilt spätestens ab heute: kein Auto über 110 g/km CO2. Der Aus­redengesellschaft gehen die Ausreden aus.

Bleibt ein Problem: die gesamte Flotte, von Toyota beispielsweise. Und von Audi, dem Geburtstagskind. Audi – ­gerade 100 Jahre alt – baut leider so viele Autos, die ein ganz normaler Autokäufer mit ganz normalem Interesse für ­Klimaschutz im Jahre 2009 einfach nicht mehr kaufen kann. So ­unglaublich uncool und Steinzeit.

Ich erwähne Audi, weil ich die Nennung von Mercedes vermeiden möchte. Von einem Leser bekam ich den hilfreichen Hinweis, ich solle nicht ständig in klischeehafter Manier einen nationalen Autohersteller, der weltweit geschätzt wird, als Feindbild der oberen Klasse darstellen. Angefügt war auch der Tipp, mich vielleicht näher mit der „Hedonisten“- und „Aggressoren“-Marke Audi zu beschäftigen. Das will ich natürlich gern tun.

In der Süddeutschen Zeitung vom März dieses Jahres wurde der Flottenverbrauch von Audi mit 176,1 g/km CO2 ­angegeben. Das ist absurd hoch und passt so gar nicht zur Audi-Geburtstagsfeier als Kulturereignis mit Angela Merkel, ­Thomas Gottschalk und den Volkswagen-Porsche-Spaßvögeln. Angela Merkel kam im Audi und lobte die Manager ganz toll. Merkwürdig: Sie stellte nicht die Frage, wer denn all die ­uncoolen Spritfresser eigentlich noch kaufen soll mit ihren ­lächerlich aufgemotzten Rennmotoren. Die Bundesregierung tut bisher, was sie kann, und fährt immer noch mit Audis und 200 g/km CO2 durch die Gegend. Doch die Klimaschutzkanzlerin kennt den Kantschen Imperativ: Wenn das alle tun ­würden, dann gute Nacht, Post-Kyoto.

Martin Unfried

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