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Heft 04/2008 PDF-Version dieses Artikels
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"Mann, ist der Wissmann"

 

Fragen Sie mich, welchen bekannten Deutschen ich im Moment am meisten bewundere, und ich sage „W wie Wissmann“. Wissmann ist mein Held. Einen wesentlichen Teil meiner Freizeit widme ich der Wissmannologie. Das ist die Wissenschaft vom Wissmann. Im Grunde die wissenschaftliche Analyse der Autokommunikation, deren Meister er ist. Glückwunsch an die deutsche Automobilindustrie – also den Verband VDA – für seinen Vorsitzenden, den ehemaligen Bundesverkehrsminister. Wie Matthias Wissmann in wenigen Monaten im vergangenen Jahr das Image der deutschen Autobauer aufgemöbelt hat! Wissmann ist Wahnsinn. Warum? Es beginnt damit, dass er richtig sympathisch ist. Das ist nun nicht ironisch gemeint. Er ist so entspannt. Er macht sicher Yoga oder so was. Nein, das ist kein verbohrter Autolobbyist, wie wir Verkehrswende-Ideologen uns das wünschten. In einem Magazin erschien neulich ein tolles Porträt mit super Fotos. Wissmann sitzt mit cooler Strickjacke in seiner schwäbischen Stammkneipe im urbanen Berlin. Das ist das Prinzip Wissmann. Schpätzle und Suschi. Fahrrad und Four-Wheel-Drive. Crossover eben.

In den vergangenen Wochen war Herr Wissmann wieder schwer aktiv in Sachen Autokommunikation. Ich liebe Talk-shows mit ihm und sitze dann ganz aufgeregt an meinem Laptop, um alles mitzuschreiben, was er sagt. Neulich bei Anne Will hat Matthias Wissmann locker 12 zu 0 gegen Bärbel Höhn von den Grünen gewonnen. Eigentlich Pech für mich. Bärbel Höhn war von Will eingeladen worden, um meine Argumente zu vertreten. Sie wissen schon: Kein Auto über 120 g/km CO2! Aber ehrlich ist ehrlich: Wissmann war einfach besser. Seine Message war, es laufe doch alles prima in Richtung Klimaschutz, die Jungs bei der deutschen Autoindustrie seien schwer in Ordnung und wir könnten die Kirche im Dorf lassen. Er war in Hochform. Liebe Frau Höhn, wir sollten uns mal zusammen die Aufzeichungen dieser Talkshows angucken. Von Wissmann lernen heißt nämlich siegen lernen. Er sagt so tolle Sachen: „Ich fahre in Berlin am liebsten mit dem Fahrrad.“ Er ist in seinem Kiez nämlich so eine Art zweiter Christian Ströbele. Er sagt: „Natürlich ist die Bahn für bestimmte Strecken das richtige Verkehrsmittel.“ Er ist nämlich auch ein ausgewiesener Zugliebhaber. So eine Art Trainspotter. Er sagt: „Die deutsche Autoindustrie hat vielleicht in der Vergangenheit die immensen Forschungsanstrengungen nicht schnell genug in Modelle umgesetzt.“ Damit meint er Hybrid, Elektro und so was. Wissmann ist selbstkritisch. Fasst der Industrie an die eigene Nase. „Aber“, sagt er, „wir haben verstanden, und die sparsamsten Autos kommen doch jetzt schon aus Deutschland.“ Und dann fügt er hinzu: „Diese Tendenz sollte nicht durch falsche Regeln aus Brüssel gefährdet werden.“ Das klingt aus seinem Mund total vernünftig. Auch genial: Die Arbeitsplatzfrage, sonst der Joker der Autofreunde, betont er nicht einmal so stark. Hat er nicht nötig. Das überlässt er CSU-Generalsekretärinnen, die gern erklären, dass in Deutschland jedes dritte Auto von einem Arbeitsplatz abhängt. Wissmann nickt dann nur. Mann, ist der Wissmann!

Das Problem: Hören weniger Informierte ihm zu, steigt das Vertrauen, obwohl Misstrauen angesagt wäre. In der Wissmannschen Traumwelt werden wir in wenigen Jahren sowieso super effiziente Autos fahren, denn das CO2-freie Auto, das sei doch auch das Ziel der deutschen Industrie. Klimaschutz, das fühlt das Publikum, ist seine Herzensangelegenheit. Das färbt auf die Autobauer ab und das macht Wissmann so unbezahlbar. An die Adresse von uns Autohassern sagt er versöhnlich: „Lasst uns die alten ideologischen Diskussionen überwinden. Fahrrad, Schiene, Auto: Wir brauchen den richtigen Mix der Verkehrsträger!“ Das sagt der entgegenkommende Matthias Wissmann, und das ist so genial, dass man das beinahe nicht knacken kann. Aber eben nur beinahe. Ein Wissmannologe kann das. Demnächst erscheint mein Leitfaden für Talkshows: „Mit den eigenen Waffen: Wissmann schlagen leicht gemacht“. Interesse, Frau Höhn?

Martin Unfried