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20.11.2011 | Sonntag | Ökosex

Sexy Kommissarin, unglaubwürdiger GTI

Die ARD hat anscheinend noch nix von grüner Beschaffung gehört. Die Stadt Wien schon.

 

Im Ausland freut sich der Ausländer, wenn er wenigstens einige Gepflogenheiten seiner alten Heimat befolgen kann. Also schaue ich in meinem niederländischen Exil am Sonntagabend Tatort und tue so, als säße ich in einem deutschen Wohnzimmer. Ich tue das natürlich vor allem aus ökologischen Gründen. Ich muss nämlich gucken, was die deutschen Kommissare für Autos fahren. Oder besser gesagt: welche Autofirma welchen Tatort sponsert. Heute war das also ein Tatort aus Frankfurt mit einer lustigen, etwas zu sexy gekleideten Kommissarin, gespielt von Nina Kunzendorf.

Sie mag als Kommissarin sportliche Männer, was an sich noch nicht besonders lustig wäre. Richtig lustig ist, dass sie auch „sportliche“ Autos mag. Das Auto, mit dem die schöne, junge Kommissarin rumfährt, ist ein roter, nagelneuer Golf GTI. Den Golf GTI hatte ich schon fast vergessen, das war doch so ein Brumm-Brumm-Witz aus dem vorigen Jahrtausend. Auf dem GTI Heck waren doch immer so Playboy Bunnies drauf. Was glauben eigentlich diese Drehbuchautoren? Warum soll diese junge Frau mit so einem GTI rumfahren? Ist es ihr eigenes Auto? Oder ein Dienstwagen? Mhm. Mal nachdenken. Die anderen Kommissare fahren ja auch immer so dicke Schlitten. Aber Daimler, BMW und so.

Unglaubwürdig, aber nicht ganz so absurd. Aber bei der öffentlichen Beschaffung von Polizeidienststellen ist doch im Leben kein GTI vorgesehen. Ich habe mich nämlich in letzter Zeit beruflich viel mit der öffentlichen Beschaffung beschäftigt. „Öffentliche Beschaffung“ ist ein merkwürdiges Wort, die Sache ist aber viel spannender, als es sich anhört. Beispielsweise kauft die Stadt Wien nur noch ökologische Produkte. Das nennt man grüne Beschaffung, auf Englisch „green public procurement“.

Und das ist erst sexy. Die Stadt Wien ist in Europa vorne dabei. Die haben einen Katalog erarbeitet mit mehr als 100 Produkten vom Papier über die Biokartoffeln in den Kantinen bis zur Wandfarbe. Wer sich mal angucken will, wie ein Laden das wirklich professionell organisiert, der kann mal „Ökokauf“ googeln (www.oekokauf.wien.at). Nein, die Stadt Wien würde beispielsweise nie einen GTI kaufen. Die Wiener wollen das Geld ja nicht zum Fenster rauswerfen. Die können nämlich sogar zeigen, dass Ökoprodukte Geld sparen, weil sie weniger Energie, Wasser oder sonst was verbrauchen. Im Übrigen wenden die das sogenannte Life-Cycle-Costing an. Das heißt, sie gucken eben auch nach den Kosten über den ganzen Lebenszyklus.

Wenn nun so eine riesige Verwaltung konsequent Öko kauft, dann verändert sich das Angebot, das sich bekanntlich an der Nachfrage ausrichtet. Die EU möchte übrigens die grüne Beschaffung voran bringen und will sogar in einer neuen Effizienzrichtlinie Behörden dazu verpflichten, nur noch die besten Geräte zu kaufen. Da sind allerdings viele Mitgliedstaaten nicht so begeistert und ich nehme an, die ARD auch nicht. Jetzt mal ehrlich Tatort Redaktion, ich glaube Volkswagen hat euch den GTI hingestellt. Das kann doch nicht Zufall sein, dass dieses GTI-Emblem plötzlich vor meiner Nase durch das Bild fährt.

Und die Drehbuch Johnnies dachten, das passt irgendwie zu dieser schrägen Kommissarin. Die dachten, wer so komische kurze Jeans trägt, der fährt auch den schrägen GTI. Leider ist ein GTI Baujahr 2011 völlig unglaubwürdig. Den kann sich eine junge Kommissarin gar nicht leisten, denn der braucht viel zu viel Sprit. Gibt es eigentlich bei der ARD kein „green public procurement“?Ist doch ein öffentlich-rechtlicher Laden. Die müssten doch eigentlich, wenn sie sich von einer Autofirma sponsern lassen, einige Angebote reinholen. Und nehmen wir mal an, die hätten so was, wie die Stadt Wien, dann würden die Kommissare im Tatort in Zukunft mit einer Kiste unter 90g/km CO2 rumfahren. Damit der Zuschauer das auch mitkriegt, würde da ein Aufkleber ganz groß am Heck kleben.

MARTIN UNFRIED ÜBER ÖKOSEX

*) Die Grafik wird wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung von: Miro Poferl und Utopia

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