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08.10.2011 | Samstag | Kolumne fairkehrt 5/2011
Pressemitteilung mit Foto: Der neue grüne Verkehrsminister Winfried Hermann sitzt auf einem schicken Fahrrad und hört interessiert irgendwelchen technischen Erklärungen zu. Träume ich? Ist dieses Bild des schwäbischen Landesministers auf der Fahrradmesse in Friedrichshafen der Anfang vom mobilen Kulturwandel und die Abkehr von der Brumm-brumm-Gesellschaft?
Leider nein. Noch habe ich keine führenden Bundespolitiker auf der Messe Eurobike gesehen. Angela Merkel am Pedelec-Stand? Peter Ramsauer auf dem Transportfahrrad? Es gab auch keine minutenlangen Jubelberichte zur neuen Hydraulik-Bremsen-Generation in der Tagesschau. Fahrradmessen haben leider noch keine Primetime in den Medien. Zur Steinzeitkultur gehört im Gegenteil bei uns, dass Automessen immer noch zelebriert werden wie Papstbesuche. IAA macht der Esel. Auch dieses Jahr erschlug mich die Selbstverständlichkeit, mit der journalistisch ausführlich für die neuesten Spritschleudern geworben wurde. Bugatti hat beispielsweise ein neues Cabrio vorgestellt mit 1001 PS und 407 km/h Spitze. Und jetzt die gute Nachricht: Offen kann immerhin bis 350 km/h gerast werden!
Was dieses Jahr noch aufdringlicher auffiel als die Jahre zuvor, waren die ökologischen Placebos. All die tollen Konzeptstudien für die sparsamen Elektroteile der Zukunft. VW also wieder mit einer ganz neuen Studie zu einem Elektroauto für eine Person! Audi hat ein Konzept für ein innovatives elektrisches Leichtfahrzeug! Wie immer heißt meine Frage schlicht: Kann man das kaufen? Nein, kann man nicht. Kaufen können die „happy few“ mit viel Geld bald ein paar teure Elektro- oder Plug-in-Autos von Toyota, Nissan, Renault und Opel. Aber das ist noch alles andere als ein Massenmarkt und somit auch nicht wirklich klimarelevant.
Wirklich relevant ist der technische Rollback im Kleinwagenbereich, den beispielsweise der VW-Konzern zelebriert. Das fiel merkwürdigerweise keinem Journalisten auf, dafür Greenpeace. Da kommt nämlich der Lupo-Nachfolger, ein Kleinwagen names Up!. Und dieser Up! ist nun tatsächlich ein Witz aus der automobilen Steinzeit. Angeboten werden zum Einstieg zwei Benzinmotoren. Der sparsamere der beiden hat einen Verbrauch von 4,5 Liter Super, was einen CO2-Wert von 105 Gramm CO2 pro Kilometer bedeutet. Soll ich etwa 105 Gramm CO2 verbraten mit einem Kleinstwagen? Damit würde ich nicht mal geschenkt fahren. Das ist so uncool wie ein Heizpilz vor der Kneipe. Zum Vergleich: Der Vorgänger des Up!, der legendäre Lupo in der 3-Liter-Version, hatte vor mehr als zehn Jahren einen CO2-Wert von 85 Gramm pro Kilometer. Vor zehn Jahren! Man muss sich mal vorstellen, was im Computerbereich in zehn Jahren alles passiert ist.
Als Effizienzfetischist frage ich VW natürlich, wo denn das serienreife 1-Liter-Pendler-Auto geblieben ist. Was wurde aus den schönen Versprechungen? Kleine Erinnerung: Bereits 2002 und 2009 hatte VW ein 1-Liter-Auto vorgestellt und wiederholt auch die Serieneinführung versprochen. Das war ein Fahrzeugkonzept, das intelligenten Leichtbau mit einem kleinen, effizienten Verbrennungsmotor kombinierte. Noch im Januar wurde ein solches Konzept als Plug-in-Hybrid staunenden Journalisten in der Wüste Katars präsentiert. Und die schrieben wieder dankbar unkritische Jubelberichte auf den bunten Autoseiten unserer Zeitungen. Wieder nur Placebos.
Denn kaufen sollen wir den Up!. Mit sechs Litern Spritverbrauch im Stadtverkehr eine Perle automobiler Innovation.
Martin Unfried
08.10.2011 | Samstag | fairkehr 5/2011 | fairkehr, das VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen, ist die Mitgliederzeitschrift des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) e.V. | Kolumne fairkehrt VON MARTIN UNFRIED
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