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Klimabilanz der taz

01.03.2011 | Dienstag | Ökosex

Aufatmen, Entwarnung und Glückseligkeit

WARUM DIE LIEBEN PRESSEKOLLEGEN UNBEDINGT DEN ARMEN HAUSHALTEN DIE FOLGENDE FROHE BOTSCHAFT ÜBERMITTELN MÜSSEN

 

Viele lustige Nasenbären haben die letzten Wochen davon berichtet, dass die Einspeisevergütung für erneuerbare Energie dem kleinen Mann in Gelsenkirchen und Kreuzberg die Haare vom Kopf frisst. Das war prima. Die Presse hat ja die verdammte Pflicht, gerade bei der Förderung der Erneuerbaren ganz genau hinzuschauen. Sonst werden da noch so Leute wie ich steinreich, die in Solarmodule und Wind investieren - alles auf Kosten des kleinen Mannes.

Engagierte KollegInnen haben zu Recht aufgedeckt, dass ein armer Haushalt 150 Euro im Jahr extra für die Erneuerbaren hinblättert. Das war schön gerechnet, leider aber inhaltlich nicht ganz zutreffend. Nicht eure Schuld, wie solltet ihr auch wissen, dass die EEG-Umlage ein technisches Instrument ist, aber keine Berechnungsgrundlage für den Mehrpreis der Kilowattstunde. So konntet ihr kaum wissen, dass die Erneuerbaren den Preis an der Strombörse auch dämpfen. Das sagen auch nur so unbedeutende Leute wie der Chef der Bundesnetzagentur.

Lieber Focus, deine ausgefuchsten Energieexperten haben sogar von einem "Kosten-Tsunami" gesprochen. Völlig zu Recht habt ihr insbesondere die Vertreter von großen Atom- und Kohlekonzernen zu Wort kommen lassen. Die kennen sich nämlich aus, gerade mit überzogenen Gewinnen. Ist auch völlig egal, dass es sich dabei beispielsweise um RWE-Leute handelt, die ein Abmurksen der Fotovoltaik gefordert haben. Aber es sind natürlich keine Eigeninteressen, die Leute wie Fritz Vahrenholt von RWE dazu bringen, solche Kritik an erneuerbaren Energien zu üben. Nein, es sind natürlich "soziale Gründe", die Varenholt ganz fürsorglich anmahnt.

So kennt man die Konzerne: immer ein Herz für die Ärmsten der Stromkunden. Auch Politiker haben sich dankenswerterweise in den letzten Wochen für die Schwachen eingesetzt: Lieber Michael Fuchs, MdB der CDU, Sie haben unermüdlich vorgerechnet, dass der Vierpersonenhaushalt 170 Euro nur für Erneuerbare bezahlen müsse. Mit steigender Tendenz! Noch immer ist auf Ihrer Homepage zu lesen, die Umlage könne im Jahr 2012 auf 5 Cent ansteigen. Lieber Holger Krawinkel, vom Bundesverband der Verbraucherzahlen, auch Sie rechneten mit einer Erhöhung um 5 Cent und warnten engagiert vor den sozialen Verwerfungen. Danke für ihr Engagement.

Da freut es mich angesichts all der Sorgen mit einer superguten Nachricht zu kommen: Die Horrorpreissteigerung ist abgeblasen! Herr Röttgen hat nämlich berichtet, dass die Umlage 2011 im Nachhinein betrachtet nicht bei 3,5 Cent lag, sondern wohl unter 3 Cent. Kleiner Kalkulationsfehler. Das wird dann 2012 sogar die Erneuerbaren-Umlage senken! Noch besser, liebe Kolleginnen: Berichten Sie glückselig davon, dass selbst im Jahr 2020 die Belastung durch das EEG nicht höher sein wird als heute. Das hat das DIW vor wenigen Tagen vorgerechnet. Das ist doch ganz toll. Und stellen sie sich vor: Wir haben 2020 dann 40 Prozent Erneuerbare im Strommix mit allen Vorteilen für uns Bürger und Stromkunden.

Noch mehr Positives: Vergangene Woche hat RWE-Chef Jürgen Großmann auf einer Pressekonferenz erklärt, warum die Preise an der Strombörse deutlich nach unten gedrückt werden. Das läge an den erneuerbaren Energien, insbesondere auch an der Fotovoltaik. Das habe aber leider dazu geführt, dass die Gewinne von RWE nicht noch mehr angestiegen sind. Oh, ein kleiner Wermutstropfen im Meer der Freude.

01.03.2011 | Dienstag | taz Nr. 9433 | Seite 14 | 119 Zeilen | tazzwei | KOLUMNE ÖKOSEX VON MARTIN UNFRIED

 

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