08.03.2025 | Freitag | Das VCD-Magazin "fairkehr" | Kolumne fairkehrt 1/2025

Vegetarischer Radfahrer mit Wärmepumpe

Beim Schreiben dieser Zeilen werde ich in den Niederlanden von einer Koalition regiert, in der ein rechtsradikaler Populist der große Macher ist. Nicht lustig. Aber hier soll es nicht um die Beleidigung von Minderheiten gehen, sondern um rechtsradikale Auffassungen in den Bereichen Verkehr und Energie. Die sind nämlich merkwürdig.

Jener Geert Wilders, der in NL die größte Partei nach dem Führerprinzip „führt“, ist gegen Tempo limits und Windturbinen – also gegen Verkehrssicherheit und heimische Energien. Frage: Warum sind Rechtsradikale in ganz Europa gegen die Heimat, also für mehr einheimische Unfalltote und gegen die Unabhängigkeit der Heimat von fossiler Energie?

Alice Weidel möchte bekanntlich alle „Windmühlen der Schande“ abreißen. Dabei laufen diese mit „deutschem“ Wind! Die AfD ist für den Verbrenner und für fossile Kraftstoffe aus Russland und Saudi-Arabien, aber gegen Fahrradwege in Berlin, gegen Verkehrssicherheit mit Tempo 30 und gegen das Deutschlandticket. Das „Deutschland“-Ticket! Das ist sehr unpatriotisch.

Viele rechte Parteien haben auch speziell etwas gegen Leute, die Lastenräder fahren. Ich habe zufällig ein Transportfahrrad und es ist wirklich harmlos. Anders als die rechtsradikale FPÖ in Österreich, die gerade dabei ist, die Macht zu übernehmen. Die FPÖ ist natürlich gegen heimische Windturbinen. Im Land Kärnten möchte sie ein Windenergieverbot in die Verfassung aufnehmen.

Und FPÖ-Politiker fordern übrigens für Österreichs Autobahnen Tempo 150 km/h. Im österreichischen Kontext ist das für die Freiheitlichen „extreme Freiheit“. In Deutschland wäre das Ökodiktatur, aber auch Rechtsradikale kennen Kulturunterschiede. Und Widersprüche: Alle Rechtsausleger sind merkwürdigerweise auch gegen Elektroautos. Obwohl ihr neuer Anführer Elon Musk ein elektrisches Autogeschäft betreibt! Hopsa Tesla.

Hier eine wichtige Aufgabe für die Zeit nach der deutschen Bundestagswahl: Was können wir tun, um in einen Dialog zu treten mit Wähler*innen, die diesen Parteien und den erwähnten Positionen zuneigen? Ich würde sagen: hemmungslos angeben. Mit dem guten Leben und positiven Gefühlen. Zum Beispiel: Ich habe seit diesem Jahr keinen fossilen Gasanschluss mehr. Die Gasleitung wurde lezte Woche rausgerissen. Jetzt wird hier die Wärme gepumpt! Hallo Wärmepumpen-Hysteriker: Ich spare den monatlichen Festbetrag für den Gasanschluss. Das ist der Heizhammer! Noch besser: Ich kriege sogar Geld von meinem Stromversorger, weil dieser meine große Batterie im Keller ansteuern darf, um das Netz zu entlasten. Mein Zähler ist nämlich intelligent und mein Stromvertrag dynamisch.

Ich war auch seit langem nicht mehr an einer fossilen Tankstelle. Das ist doch eklig, wenn die Hände so nach Benzin riechen! Und wie ich mich freue, wenn ich in Deutschland mit dem Deutschland-Ticket unterwegs bin: so deutsch! Und übrigens verdiene ich an Windpark-Beteiligungen und liebe die Rotoren im Wald. Und wisst ihr lieben Leute, was ich besonders genieße? Ein vegetarisches paniertes Schnitzel mit Kartoffelsalat. Das ist mein ganzes Glück. Und mit dem Transportrad den Plastikmüll zum Recyclingcontainer bringen. Und fast hätte ich mein Hobby vergessen: langsam fahren auf deutschen Straßen. 80 km/h auf der Landstraße und 100 km/h auf der Autobahn. Das ist so schön. Und 30 km/h in der Stadt. Und wenn die Ampel auf Grün schaltet, dann fahre ich gaaaaaanz langsam los.■

Martin Unfried forscht an der Uni Maastricht zu europäischer Politik in Grenzregionen. Er liebt Wärmepumpen, dynamische Strompreise, S-Pedelecs und seine Heimat, die Europäische Union.

Erstveröffentlichung: www.vcd.org/magazin-1-2025

08.03.2025 | Freitag | Das VCD-Magazin "fairkehr" | Kolumne fairkehrt 1/2025 | Vegetarischer Radfahrer mit Wärmepumpe | Schlagworte: hemmungslos angeben, große Batterie, Elektroautos, dynamischer Stromvertrag, fossilen Tankstelle, fossiler Energie | Erstveröffentlichung: www.vcd.org/magazin-1-2025 | Bio: https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Unfried

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