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Klimabilanz der taz

13.12.2016 | Dienstag |  Kommentar | zeozwei | Das Umweltmagazin: Magazin für Klima. Kultur. Köpfe.

ANDERS DENKEN: WARUM SIND SIE NEUERDINGS EIN EU-KONSERVATIVER, MARTIN UNFRIED?

Selbst den erregten Umweltapokalyptikern muss ich nun entgegnen, dass nicht alles verloren ist.

Plötzlich entscheiden also die Leute Wahlen und Referenden, die die herrschenden Verhältnisse fundamental umwälzen und den Laden aufmischen wollen. Weil eben alles schlecht und ungerecht ist.

Das ist der linke Traum. Leider von rechts ausgeführt.

Was genau nicht taugt, ist austauschbar: Washington, die EU, die Berliner Republik, die niederländische, die französische Politik, der Kapitalismus, die Globalisierung, die Demokratie an sich, die Medien und selbstverständlich die Energiesparlampe.

Ich fühle mich dabei zum ersten Mal in meinem Leben als echter Konservativer. Ich werde sogar bei zunehmender Kritik immer staatstragender. Und das fühlt sich merkwürdig an. Ich höre mich immer häufiger Dinge sagen wie: So schlecht ist die Situation doch gar nicht, wir haben doch viel erreicht, die Europäische Union ist doch ein Glücksfall der Geschichte, in der Umwelt und Klimapolitik tut sich was. Die deutsche Demokratie funktioniert doch ganz passabel.

Ich argumentiere bei vollem Bewusstsein systemerhaltend, weil ich die deutschen, die niederländischen, die europäischen Institutionen und unsere transnationale Demokratie tatsächlich schätze. Übrigens unter anderem deshalb, weil wir umweltpolitisch in der EU viel erreicht haben. Darum fürchte ich die Umwälzung, die Renationalisierung der Politik und Wirtschaft. Ich bin plötzlich ein konservativer, europäischer Verfassungspatriot und der Brexit ist mein Waterloo. Die britische Conservative Party, die ihn ausgelöst hat, sollte sich schleunigst umtaufen.

Selbst den erregten Umweltapokalyptikern muss ich nun entgegnen, dass nicht alles verloren ist, sondern die Qualität unserer Flüsse, die Luft, die wir atmen, die Lebensmittel und die Mülltrennung besser oder schadstofffreier sind als früher.

Ja, es gibt noch viel zu tun, doch plötzlich fürchte ich die Undifferenziertheit. Plötzlich stören mich pauschale Vorurteile und undifferenzierte Kampagnen von links und von meinen eigenen Umweltfreunden in Sachen EU-Handelsverträge. Auch das Chlorhuhn. Mehr noch: das mehr oder weniger verborgene Misstrauen in die europäischen Institutionen.

Ein Freund meint: »Kapitalistische Verschwörung im Dienste der Konzerne!« Die ganze EU ein neoliberaler Plot? Auch beim Ruf »Lang leben die Wallonen!« spüre ich den Wahn der Renationalisierung. Das heißt im Grunde: Wir trauen unserem, dem europäischen Parlament nicht.

Leider herrscht auch bei den Linken ein merkwürdig pessimistisches Weltbild: Griechenland, Bankenmacht, Konzerne fett, Demokratie ausgehöhlt, Umwelt und Klima kaputt, Flüchtlingswellen ausgelöst, alle korrupt, besonders EU-Kommissionschef Juncker.

Die unbequeme Nachricht: Wir brauchen schon bald mehr Leute, die differenziert erklären können, was gut und was weniger gut läuft in der EU. Und die insbesondere nicht alles auf die Verfasstheit der EU zurückführen, sondern auf politische Mehrheiten. Die könnte man in der EU nämlich tatsächlich verändern, wenn man beispielsweise eine linkere Politik wollte.

Wenn es durch Wilders, Le Pen, Orban wirklich hart auf hart kommt, dann hoffe ich, dass es in der EU genug konservative europäische Verfassungspatrioten gibt. Leute, die mit Herz und Verstand gegen den Super-GAU, die größte anzunehmende Umwälzung ankämpfen, die in unserer Lebenszeit geschehen kann: den Zerfall der EU, das Comeback der Nationalisten und mit ihm der unfreien, autoritären und kriegsbereiten Gesellschaften.

 

MARTIN UNFRIED ist Experte für europäische Umweltpolitik in Maastricht und Erfinder von Ökosex.

 

13.12.2016 | Dienstag | zeozwei 1/2017 | www.zeozwei.de | Das Umweltmagazin: Magazin für Klima. Kultur. Köpfe. | Titelthema: LIEBEN UND TÖTEN - DIE NEUE MENSCH-TIER-BEZIEHUNG | Anders denken: Warum sind Sie neuerdings ein EU-Konservativer, Martin Unfried? | Selbst den erregten Umweltapokalyptikern muss ich nun entgegnen, dass nicht alles verloren ist.

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