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08.06.2021 | FUTURZWEI Nr. 17 | PETER UNFRIED | Der E-Auto-Test

ID.3

Der Golf des Elektroauto-Jahrhunderts

 

Mit dem Elektroauto ID.3 will der Wolfsburger Weltkonzern Volkswagen den Sprung in die Zukunft schaffen. Konkreter gesagt: Nicht auf dem Loser-Friedhof der fossilen Autohersteller landen. VW meint es ernst, sagen alle, die man fragt. Das müssen sie auch, würde nun der handelsübliche Checkertyp sagen, sonst finito. Aber das gilt für andere Unternehmen, Parteien, Gesellschaften auch, und dennoch stellen sie sich lieber jetzt schon tot, als ein gutes Überleben zu organisieren. Jedenfalls hat sich VW-Chef Herbert Diess nicht nur von fossilen Brennstoffen verabschiedet, sondern mittelfristig vom Wasserstoff, was auch entscheidend war für den Durchbruch der batterie-elektrischen Variante bei den deutschen Konzernen.

So soll der ID.3 der Golf des Elektroauto-Jahrhunderts werden, also das Auto, mit dem alle fahren, der Mittelklassewagen für die Average-Family. Bis 2030 sollen 26 Millionen Autos verkauft sein.

Der ID.3 versucht nicht das Genre Elektroauto ästhetisch zu definieren, sondern die Ästhetik und Qualität eines normalen VW zeitgemäß auszudrücken, was optisch auf einen etwas wuchtigeren und dennoch eleganteren Golf mit verkürzter Haube hinausläuft. Es gibt ihn preiswerter mit 45 kWh- und teurer für größere Reichweiten mit 58 kWh- und 77 kWh-Batterie.

Im taz FUTURZWEI-Test erweist sich der ID.3 als sehr angenehmes Auto, mit dem man einfach, gern und gut fährt. Während der Testwochen herrschte kaltes Winterwetter, da ging der Verbrauch gerade im Stadtverkehr schnell hoch, wobei der warme Arsch durch die Sitzheizung schon angenehm war. Eine genaue Verbrauchsmessung war nicht möglich, aber laut Erfahrung von ID.3-Fahrern ist der in der kalten Jahreszeit um die 20 kWh im Durchschnitt (spritmonitor.de), das heißt die Reichweite liegt zwischen 240 Kilometer im Winter und 360 Kilometer im Sommer bei der 58-kWh-Batterie. Damit ist der ID.3 weniger effizient als Konkurrenten von Kia und Hyundai. Wer mehr Reichweite braucht, für den gibt es noch eine Version mit 77 kWh.

Ein entscheidender Punkt für moderne Autos ist längst die Software geworden, da hat Tesla mit seiner einfachen Menüführung Maßstäbe gesetzt – an die VW nicht rankommt. Selbst wenn man mittlerweile die gröbsten Anfangsprobleme behoben haben sollte, der Bordcomputer ist zumindest mir zu kompliziert.

Eine Frage war immer wieder, warum VW nicht das erfolgreichste Auto der Welt, den Golf, in einer konkurrenzfähigen elektrifizierten Version als Standard durchsetzt. Ein zentraler Grund ist, dass auch der E-Golf immer noch auf der Plattform des fossilen Autos gebaut wird. Für den ID.3 hat VW ein neues Baukastensystem entwickelt, den MEB (modularen E-Antriebs-Baukasten), der den Raum neu verteilt, weil der Elektromotor hinten ist und der Akku neu rein muss. Auf dieser Plattform werden künftig alle E-Autos hergestellt, mittlerweile schon der ID.4, das ist ein etwas größerer Elektro-SUV. Unklar ist allerdings, warum man diesen seltsamen Namen gewählt hat: ID.3, der dann auch noch in einem englisch-deutschen Mix ausgesprochen wird: Ei-Di-Drei. Das wird erstmal hart für Opa mit Hut, sich mit der Aussprache wohlzufühlen. In dem Zusammenhang muss man vielleicht nochmal sagen, dass Elektroautos keine Stadtautos sind, sondern Landautos, mit denen man den fehlenden ÖPNV für alle Notwendigkeiten des Alltags kompensieren kann. Ideal sind sie mit eigener Garage, und wenn der Strom vom Dach kommt.

Fans des teureren Tesla 3 (ab 43.000 Euro minus 9.000 Prämien) sagen, dass sie nicht umsteigen würden wegen des Softwarevorteils, der besseren Ladeinfrastruktur und weil sie überhaupt Tesla fahren wollen – und nicht VW.

Aber klassische VW-Kunden sind verlässlich und treu, im Gegensatz zu VW, das seine Kundschaft mit manipulierten Dieselmotoren betrogen hat. Die Kunden kaufen trotzdem weiter VW. Der bisherige Golf-Typ, der ein ordentliches Mainstream-Auto will, mit dem er nicht auffällt, könnte in der normalen Elektroautowelt tatsächlich in Massen zum ID.3 wechseln, der dank Prämie auch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis hat, wenn man sich nicht den ganzen teuren Schnickschnack konfiguriert. Durch die künftigen großen Stückzahlen werden auch die Kosten sinken und dann hoffentlich sogar die Preise.

Fazit: Das alte Argument »Ich würde ja ein Elektroauto kaufen, aber für mich gibt es noch nicht das richtige« ist mit dem ID.3 für viele obsolet. Im Gegensatz zu früheren Zeiten als deutsche Autokonzerne Elektroautos bauten, um Elektroautos zu verhindern, baut VW sie nun, um sie zu verkaufen. Das wird den ganzen Elektroautomarkt dynamisieren.


VW ID.3, 45 kWh, ab 31.500 Euro, 58 kWh ab 35.000 Euro minus staatlicher Zuschüsse sind das 22.500 bzw. 26.000 Euro. Reichweite und Verbrauch hängen von Temperatur, Fahrstil und Geschwindigkeit ab. Richtwerte: 16 bis 20 kWh Verbrauch und 240 bis 360 Kilometer Reichweite. ■


PETER UNFRIED ist Chefredakteur des Magazins Taz.Futurzwei sowie taz-Chefreporter.


Foto: Wikimedia Commons: Alexander Migl, Volkswagen ID.3 at IAA 2019 IMG 0211, Zuschnitt, CC BY-SA 4.0
 

 

08.06.2021 | Dienstag | FUTURZWEI Nr. 17 | taz.futurzwei.org | Magazin für Politik und Zukunft | Themenschwerpunkt: VOLL AM ARSCH: GENERATION CORONA | Seiten 76 | E-AUTO-TEST | Peter Unfried | ID.3 – der Golf des Elektroauto-Jahrhunderts | Bio: https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Unfried

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