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Flache Fernseher und die Welt des Wollens

Flache Fernseher: Ich setze auf Kaufen!

 

Jeder wird einen haben, im Jahr 2007 oder 2010 spätestens, sagen auch Branchenkenner. Egal, ob die wirklich besser sind. Sie sind einfach schärfer (in der Bedeutung von "hot"). Ach, sehen die schick aus! Millionen Fernseher werden in den nächsten Jahren in Europa ausgetauscht. Nicht weil sie kaputt sind, sondern weil wir flache Fernseher wollen. Weil flache Fernseher dran sind. Wie MP3-Player. Die Flachen werden weggehen wie warme Semmeln.

Das Fernsehprogramm wird nicht weniger flach sein, das Bild kaum besser, weniger Energieverbrauch nicht sicher. Aber wir lieben es flacher. Der Nachbar wird ihn stolz zeigen: meiner ist nur fünf Zentimeter tief. Ganz neue Töne. Hängt wie ein Bild an der Wand. Super, sage ich, muss ich auch haben. Niemand wird fragen, ob sich das rechnet. Niemand wird fragen: Nach wie vielen Jahren hat sich der flache Bildschirm amortisiert? Das wäre absurd bei Produkten, deren Nutzen darin besteht, dass sie flacher sind.

Niemand wird warten bis der Staat 20 Prozent des Kaufpreises übernimmt. Wir wollen flache Bildschirme und die kaufen wir selber. Und weil wir kaufen, schmeißt die Industrie die Produktion an und die flachen Teile werden im Jahre 2008 schon viel billiger sein. Aber die Kaufavantgarde erntet dafür heute noch die neidischen Blicke. Bald wird es sie beim Aldi geben am Dienstagmorgen. Ach was, die gab es doch schon letzte Woche. Also gut. 2008 wird König Kunde nochmals Schlange stehen beim Aldi und der Fernseher im Gästezimmer wird auch noch ausgetauscht. Warum? Weil ein flacher einfach flacher ist. Und warum erzähle ich das?

Wir können die Welt ändern

Weil flache Fernseher zeigen, dass es geht. Dass wir die Welt verändern können. Wenn wir nicht kleinlich danach fragen, was etwas bringt und was es kostet. Nein, wenn wir wirklich was wollen, dann fragen wir nicht nach den Kosten. Wir wollen eine Welt der flachen Fernseher, also investieren wir Milliarden in flache Fernseher, bis im Jahre 2015 jeder Mitteleuropäer seinen Fernseher ausgetauscht hat. Ganz ohne Vereinte Nationen und das Helsinki Flat TV Screen Protocol. So haben wir es gemacht, als wir von der guten alten Langspielplatte in die CD-Zeit gewechselt sind. Wir haben es einfach getan.

Okay, die Industrie hat uns ein bisschen auf die Sprünge geholfen. Aber dann haben wir auch Milliarden weltweit in DVD-Player investiert, weil wir es wollten, weil uns die Videos ankotzten. Und wir haben unsere Welt in eine bessere MP3-Welt eingetauscht. Und wir werfen unser Handys weg und kaufen Fotohandys, dann Fernsehhandys und dann wahrscheinlich Rasierhandys. Unsere Computer tauschen wir sowieso alle drei Jahre aus, wegen der neuen Digitalcamera. Die hat unsere schöne alte Canon abgelöst. Und wer kauft schon ein neues Auto, bloß weil sein altes nicht mehr fährt? Wir brauchen ABS, EPS, NAVI, TDCI und 4M. Es stimmt: Wir können die Welt verändern, wenn wir etwas wollen.

Wer kauft, hat die Macht

Warum erzähle ich das? Weil es nicht stimmt, dass beispielsweise Klimaschutz so schwierig ist. Wir müssen nicht auf Bush warten, nicht auf die Chinesen und auch nicht auf die Regierung. Es ist ganz einfach: Wenn viele Leute bestimmte Produkte cool finden, dann verändern wir die Welt. Dann werden die weggehen wie warme Semmeln. Und nicht weil wir fragen, wann es sich amortisiert, sondern weil wir sie wollen, um ihrer selbst willen. So wie die flachen Fernseher.

Das Photovoltaikmodul: Wie es erhaben in der Sonne glitzert. Der Pelletofen: Zeig' dem Nachbarn, wie elegant die Schnecke den Kessel füttert. Das Passivhausfenster: Gib damit an, dass jeder einzelne Sonnenstrahl Wärme und Wohlbefinden entfacht. Der grüne Strom: Weil alles andere uncool ist. Das Supersparauto: Ach so, ja, das gibt es ja noch gar nicht. Aber wenn wir es wirklich wollen, dann wird auch das herbeigezaubert. Das ist nämlich das Schöne an der Warenwelt: Wer kauft, verändert die Welt.

Martin Unfried ist privat Anhänger der Effizienzrevolution und beruflich Umweltexperte an einem europäischen Institut in Maastricht. Er wird sich derzeit keinen Flachbildschirm kaufen, da er sein Geld spart für dezentrale Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung.

15.03.2006