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Klimabilanz der taz

20.10.2006 | Freitag | tazzwei | Ökosex

Liebeslieder auf Atomstrom-E-Gitarren

Musik ist der Schlüssel zu Ökoherzen, ohne die man das Wesentliche nicht sieht. Gedanken aus Paris

 

In Paris mit französischen Kollegen: "Schöne Stadt," schreie ich am emissionsfreudigen Boulevard bewundernd, "allerdings überall lausige Fenster." Alles Einfachverglasung, auch am Louvre. "So wird das nix mit der Effizienzrevolution!" Sie gucken enerviert. Offensichtlich kennen sich die Herren Franzosen mit dieser Art Revolution nicht aus.

Ich erfahre nebenbei, dass Monsieur Frank auch einen Santa Fe fährt. Das ist ein beliebter Spritschlucker, den - wie berichtet - ein anderer meiner sauberen Kollegen sein eigen nennt (siehe auch "Ökosex" vor vierzehn Tagen). Oh! là là!

Die emotionale Anziehungskraft klimaschändender Produkte ist EU-weit ungebrochen. Insbesondere bei Familienvätern, die was von Kinderwagen faseln. Was wiederum beweist: Es sind die Herzen, die der Klimaschutz momentan nicht erreicht. Die Jungs sind so was von gefühlskalt. Denn wie der kleine Prinz schon wusste: Das Wesentliche ist für den Santa-Fe-Fahrer unsichtbar.

Kein Wunder. Auch in Paris gibt es nirgends T-Shirts mit "J'aime Kioto" drauf. Dafür jede Menge Stromverschwendung am Eiffelturm - blink, blink - bei Nacht. Soll wohl romantisch sein. Noch was Bemerkenswertes: Die Croissants von Monsieur Paul sind recht saftig, aber mit Atomstrom gebacken. Ich finde, das schmeckt man.

"Stromwechsel gibt's hier nicht", heißt auch die Ausrede eines deutschen Parisbewohners, beim dem ich zur Visite vorbeischaue. Dieser anerkannte Verbraucher- und Ökoguru muss sein Vollkornbrot nun mit Atomstrom der EdF backen. Womit wir beim eigentlichen Thema wären: In Deutschland ist nicht alles malade! Deutschland ist, verglichen mit La France, ein Ökostromparadies! Und Sie Trottel sind immer noch Kunde von Vattenfall, RWE oder Eon? Oder gar bei der EnBW, wo übrigens - apropos - eine Menge EdF-Atom drinsteckt?

Der schon wieder, werden Sie sagen, vom "Verband der Nervensägen Atomstromkündigung." Ja, ich schon wieder. Heute mit einem brandneuen Argument für die Atomstromkündigung: Wer häufig auf atomstrombetriebenen E-Gitarren Liebeslieder spielt, wird zwei Jahre früher als normal sexuell desinteressiert!

Spaß beiseite: Diese Kolumne steht im Dienste der CDU und deren Idee vom Gesundschrumpfen der großen Konzerne. Steinewerfen am Bauzaun der Nachfrage ist jetzt offizielle Regierungspolitik. Ökosex und die taz-Effizienzrevolutionäre waren zwar letzte Woche unerklärlicherweise nicht ins Kanzleramt zum Energiegipfel geladen. Dennoch stehen wir natürlich nicht beleidigt daneben.

Zu offensichtlich haben unsere Ökosextipps gezündet. Die Kündigung beim Atomstromkonzern wird so zur ersten Bürgerpflicht. Gemäß dem Motto von Mike Krüger: "Mach Dein Ding!" Angeblich bereitet auch der Bundespräsident eine Stromruckrede vor, was tatsächlich seit langem überfällig ist. Jetzt zur Musik.

Viele haben Ökosex gefragt, wie denn so eine tuppermäßige Atomstromkündigungsparty aussieht. Das ist ganz einfach: Sie laden Freunde und Verwandte ein, stellen einen Kasten Bier hin (Neumarkter Ökobräu), und dann legen Sie die neue CD von Ökosex ein: "Harriwidertschi RWE". Als erste Kolumne der Welt hat Ökosex nämlich eine eigene Kolumnen-Band mit allem drum und dran. "Harriwidertschi RWE" heißt auch das Titelstück des Albums, ein Mitgrölsong. Dann folgt das poppige "Tschüss, liebes Eon" mit Wurlitzereinsatz. Gefolgt von einer Barpianoversion vom bluesigen "Servus, EnBW". Sie werden sehen, spätestens dann kocht daheim die Bude. Alles tanzt auf Ökosex, und mit Musik erreichen Sie ganz sicher die Herzen Ihrer Lieben. Dann ist Atomausstieg wie Bionade trinken. Und so soll es sein.

Wo es die Mucke gibt? Na, bei der online-taz gratis als mp3- download. Übrigens: die Scheibe wurde natürlich atomstromfrei aufgenommen. Schon wegen des Gitarristen.

Hören Sie dazu auch "Harriwidertschi RWE", die brandneue Vorab-Single unserer Kolumnenband ÖKOSEX:

www.taz.de/taz/ton/keinstrom3.mp3

MARTIN UNFRIED

Change? www.atomausstieg-selber-machen.de

20.10.2006 | Freitag | taz Nr. 8104 | Seite 14 | 134 Zeilen | tazzwei