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Klimabilanz der taz

24.09.2013 | Dienstag | PETER UNFRIED | Pro und Contra Schwarz-Grün

Ist die Zeit reif?

Die Energiewende könnte Schwarz und Grün zusammenführen. Doch würden die Grünen eine Koalition mit der kraftstrotzenden Union überleben? | EIN PRO VON PETER UNFRIED

 

Wenn man es wirklich ernst meinte mit dem zentralen Problem des 21. Jahrhunderts, also dem Klima- und Energieproblem, dann dürfte man nicht von vergleichsweisen Kinkerlitzchen wie der schwierigen "Versöhnung" von altem und neuen Bürgertum schwadronieren. Oder Opa-und-Oma-Geschichten vom 68er Krieg aufwärmen wie die legendär überschätzte "Pizza-Connection" aus seligen Bonner Tagen.

Die angebliche Unvereinbarkeit von Union und Grünen und die Notwendigkeit einer langsamen kulturellen Annäherung wird seit Jahren als retardierendes Moment gegen die Ankunft in der Realität eingesetzt. Und selbstverständlich ist die Frage immer, was einem bleibt, wenn man keine Vorurteile mehr hat.

Aber wenn die Energiewende tatsächlich nicht nur Geschwätz ist, sondern aus wirtschaftlichen Gründen und übrigens auch aus Gründen globaler Gerechtigkeit die zentrale Aufgabe unserer Generation, dann wird man feststellen müssen, dass deren Bewältigung von einer Koalition aus wirtschaftsfixierter Union und von Kohlelobby dominierter SPD sehr wahrscheinlich nicht befördert werden kann.

Eine Koalition aus Union und Grünen und ein Energiewendeministerium mit gebündelten Kompetenzen plus einem nicht blockierenden Partner im Wirtschaftsministerium wäre in dieser Hinsicht wohl ein echter Fortschritt. Wenn das so sein sollte, dann hätten unsere grünen Weltmoralisten geradezu die Pflicht, sich einer schwarz-grünen Koalition zu stellen. Mal ganz abgesehen von weiteren möglichen Verhandlungsinhalten wie Stuttgart 21, Mindestlohn oder Datenschutz.

Doch der Realität des Klimawandels stehen andere Realitäten gegenüber. Eine ist Bundeskanzlerin und will es bis zu einem von ihr ordentlich geplanten Abgang bleiben. Insofern ist es für die Union zwar angebracht, die grüne Option zunächst gegen die SPD in Stellung zu bringen. Aber nach allem, was man über Angela Merkel ahnen kann, wird sie nicht ohne Not ein "Projekt" angehen. Sie ist schließlich ihr eigenes Projekt. Eine zweite Realität, die gegen Schwarz-Grün spricht, sind die Mehrheiten im Bundesrat.

Die dritte Realität ist der grüne Wahlkampf, der vermutlich desaströseste seit Parteigründung. Wer so laut und so engagiert an der Gesellschaft vorbei Muh geschrien hat, der kann jetzt kaum umgehend Mäh sagen, ohne dass es vollends albern wird. Der gescheiterte Spitzenstratege Jürgen Trittin könnte es zwar zwecks eigenen Machterhalts mit der beschriebenen Dringlichkeit der Energiewende begründen, aber die Fragen sind, warum ihm das nicht früher eingefallen ist und ob ihm seine verbliebenen Fraktionstruppen und die Wähler folgen würden. Vom kümmerlichen Rest an Grünen-Wählern dürfte ein erheblicher Anteil wie Trittin, Roth und die reumütig zurückgekehrte Künast noch im rot-grünen Denken und Fühlen verhaftet sein.

Der gesellschaftliche Motor von Schwarz-Grün sind aber ordentlich bis gut verdienende Bürger mit sozial-ökologischen Werten. Die Leute, die die Trittin-Grünen nicht gewählt haben. Die Leute, die Winfried Kretschmann zum Ministerpräsidenten gemacht haben, Robert Habeck zum Vizeministerpräsidenten und Salomon, Palmer und Kuhn zu baden-württembergischen Oberbürgermeistern gewählt haben - oder eben den Öko-CDUler Uli Burchardt in Konstanz.

Es geht jetzt nicht um simplen Generationenwechsel einer Partei und was man gern so sagt: Es geht für die Gesellschaft um die Frage, ob in und mit der grünen Partei im Bund eines Tages noch mal etwas Dynamisch-Neues anfangen soll und kann. Wenn ja, sollte man die Mumie Rot-Grün jetzt ganz schnell an der Biegung des Flusses begraben. Und den verschmähten Wählern künftig ernsthafte Angebote machen. Schwarz-Grün ist dafür nur die Chiffre. PETER UNFRIED

Link zu Pro UND Contra Schwarz-Grün: http://www.taz.de/!124273/

Peter Unfried arbeitet als Chefreporter der taz

24.09.2013 | Dienstag | taz Nr. 10217 | Seite 05 | 137 Zeilen | taz Hintergrund | TAZ-Bericht | Pro und Contra Schwarz-Grün | Ist die Zeit reif? | Die Energiewende könnte Schwarz und Grün zusammenführen. Doch würden die Grünen eine Koalition mit der kraftstrotzenden Union überleben? | EIN PRO VON PETER UNFRIED

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