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FUTURZWEI

 

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12.03.2019 | Dienstag | FUTURZWEI Nr. 8 | E-AUTO-TEST

Die Karte für alles: Bus, Bahn, Fahrrad, Auto

Wovon in Deutschland seit Langem geträumt wird, gibt es in den Niederlanden seit Jahren.

Einige Leser ärgern sich über die Rubrik Elektroautotest und plädieren für einen kompletten Umstieg vom Auto auf öffentlichen Personenverkehr. Mit Blick auf die aktuellen Zulassungszahlen halten wir allerdings den Abschied vom Verbrennungsmotor für wesentlich. Den Vorschlag aber, ein Beispiel aus Nachbarländern zu testen, mit dem der Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs nicht nur gefordert wird, sondern real vorankommt, greifen wir dankend auf. Bitte sehr.

Während in Deutschland selbst überzeugte Bahnfahrer wegen nerviger Verspätungen und technischer Probleme die Lust verlieren, berichten die niederländischen Zeitungen über eine Überraschung. Die Zufriedenheit mit der niederländischen Bahn ist deutlich gestiegen. Der öffentliche Personenverkehr ist laut jüngster Umfragen viel beliebter als noch vor Jahren. Woran liegt das? Zum einen an banalen Dingen wie der eigenen, angenehmen Erfahrung, dass die gelb-blauen Züge pünktlich sind. Das sagen auch die Zahlen: Mehr als neunzig Prozent der Züge der niederländischen NS (Nederlandse Spoorwegen) sind weniger als fünf Minuten zu spät. Auch sind viele Züge aufgehübscht oder neu, die Chance auf einen Sitzplatz ist gestiegen und die Bahnhöfe sind renoviert. Selbst kleine Stationen sind gepflegt. Gute Voraussetzungen, um das Produkt Bahn gegenüber dem Auto konkurrenzfähig zu machen. Die Zahl der Reisenden steigt und das vordergründig Überraschende ist: nicht weil die Tickets so günstig sind. Es liegt daran, dass Bahnfahren in den Niederlanden bereits sehr angenehm verknotet ist mit anderen Formen der Mobilität. Wir fahren hier nämlich seit Jahren mit einer elektronischen Chipkarte, wie es sie beispielsweise in London gibt, oder in Ansätzen in Düsseldorf und Berlin. Nur besser.

Unsere OV-chipkaart funktioniert im ganzen Land, das ist das Entscheidende (OV steht für Openbaar Vervoer, öffentlicher Verkehr). Ich kann mit dieser Karte in Maastricht und Amsterdam in jeden Bus, in jede Bahn, Metro und Tram einfach ein- und auschecken und der Ticketpreis wird später abgebucht. Kein Fahrkartenkauf am Schalter oder online, keine Probleme, welcher Tarif wo gilt.

Davon wird in Deutschland seit Langem geträumt. Der Bundesverkehrsminister hat noch im letzten Jahr gefordert, dass zumindest mal die Stadtbusse überall in Deutschland mit einer Karte genutzt werden könnten. Von einem System für den gesamten öffentlichen Verkehr spricht noch niemand. Die Niederländer haben den ganzen Prozess der Umstellung bereits vor fünf Jahren abgeschlossen. Heute fährt niemand mehr mit Papiertickets. Die gibt es noch am Automaten, sie sind aber immer einen Euro teurer.

Der Aufwand für die Vereinheitlichung war enorm: Überall an Bahnsteigen und in Bussen brauchte es heftige Investitionen für Lesegeräte und andere Infrastruktur. Und die IT dahinter ist ebenso anspruchsvoll: Der Schlüssel der Kundenzufriedenheit ist ein verlässliches und vertrauenerweckendes Abrechnungssystem. Anfangs gab es Probleme mit nicht korrekten Rechnungen, davon hört man heute nichts mehr. Kritik gibt es aber immer wieder am Datenschutz. Es wurde beispielsweise gerichtlich festgestellt, dass der Systembetreiber die Reisedaten nur in engen Grenzen an Behörden weitergeben darf. Natürlich kann man mit den Daten das Reiseprofil nachvollziehen, was allerdings mit Handydaten ebenso möglich ist. Wer möchte, kann eine anonyme Chipkarte verwenden, die erst mit Geld aufgeladen werden muss.  

Für mich hat sich das aber alles gelohnt. Der ÖPNV fühlt sich wesentlich lässiger an als in Deutschland. Kein nerviges Warten, bis jemand beim Busfahrer das Ticket bezahlt hat. Völlig entspanntes Umsteigen in jeder Stadt, ohne das lokale Tarifsystem zu kennen. Nie mehr doof an einem unbekannten Automaten. Und das Beste: Die letzte Meile mit dem Fahrrad. Ich kann auch am Bahnhof mit meiner Chipkarte ein Fahrrad der Bahn mieten für 3,50 Euro am Tag. Das geht ruckzuck. Ich nehme mir selbst eines bei der Fahrradstation (die es an jedem Bahnhof gibt), jemand scannt meine Karte ein – und los. Auch das wird bargeldlos abgerechnet. Mein eigenes Fahrrad checke ich in Maastricht übrigens auch ein, in der gesicherten Fahrradtiefgarage. Ich könnte sogar an jedem Bahnhof mit meiner Karte einen Mietwagen öffnen, denn diese wird bei Bedarf für den Carsharing-Partner der Bahn freigeschaltet. Ich kann also ohne Übertreibung feststellen: Ich habe die Zukunft des intermodalen Verkehrs gesehen. Nur dass diese Zukunft mit der OV-chipkaart bereits niederländischer Alltag ist. Erst wenn man mal wieder nach Deutschland kommt, merkt man, dass das alles andere als selbstverständlich ist.
Kleiner Klimaschutzdämpfer: Das heißt nicht, dass keine Autos rumfahren. Pro Kopf zwar weniger und kleinere, aber immer noch viel zu viel. Die Alternativen sind allerdings wesentlich lässiger als in Deutschland.

MARTIN UNFRIED

www.ov-chipkaart.nl

12.03.2019 | Dienstag | FUTURZWEI Nr. 8 | Seite 74 | taz.futurzwei.org | Magazin für Politik und Zukunft | Titelthema: ALLES WIRD GUT! | Martin Unfried | Der E-Auto-Test | Die Karte für alles: Bus, Bahn, Fahrrad, Auto | Wovon in Deutschland seit Langem geträumt wird, gibt es in den Niederlanden seit Jahren. | Bio: https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Unfried

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